Sonntag, 11. Dezember 2016

Mein Schatz komm mit ans blaue Meer (1959) Rudolf Schündler


Lilo (Renate Ewert) und Hansi (Monika Dahlberg) mit Camillo Felgen von RTL
Inhalt: Camillo Felgen von Radio Tele Luxemburg stellt vor einem großen Publikum die Gewinnerinnen des „Bravo“- Preisausschreibens vor:  Lilo (Renate Ewert), von Beruf Maniküre, und Hansi (Monika Dahlberg), die ihrer Mutter im Haushalt hilft. Von ihr ist der auf den Rängen wild klatschende Bubi Hannemann (Harald Juhnke) so begeistert, dass er sie gegenüber seinem Freund schon als seine zukünftige Frau vorstellt. Der hält ihn für verrückt, aber Bubi hat einen konkreten Plan. Als LKW-Fahrer fährt er demnächst eine Tour nach Italien - genau dorthin, wohin auch die beiden jungen Frauen reisen sollen, um 10000 Mark zu gewinnen. 

Der Wohnwagen wurde von der "Bravo" übergeben - es kann los gehen...
Für diese fängt der eigentliche Wettbewerb jetzt erst an. Mit dem Wohnwagen, der ihnen von der „Bravo“ zur Verfügung gestellt wurde, sollen sie ans Mittelmeer und wieder zurückreisen. Innerhalb von drei Wochen und ohne eigenes Auto. Das Zugfahrzeug sollen sie sich per Anhalter organisieren. Zudem müssen sie unterwegs noch ein paar Aufgaben lösen, kontrolliert von Dr.Karin Beer (Christine Görner), die sie als Journalistin der „Bravo“ begleitet und für die Jugendzeitschrift berichtet. Doch bevor Bubi mit seinem LKW vor Ort sein kann, hat Lilo schon den ersten "Kavalier der Straße“ organisiert. 


"Das blaue Meer" - Sehnsuchtsbegriff des Tourismusfilms

"Das blaue Meer" symbolisierte in den 50er Jahren das Fernweh der Deutschen nach südlichen Gestaden. Mit der zunehmenden Stabilisierung des Arbeitsmarkts in den 50er Jahren und einem damit einhergehenden bescheidenen Wohlstand wuchs auch der Wunsch zu verreisen. Zuerst beschränkte man sich auf den Urlaub im eigenen Land - eine Entwicklung, auf die der "Heimatfilm" ab Mitte der 50er Jahre vermehrt mit der Betonung von Sehenswürdigkeiten und folkloristischen Elementen reagierte ("Die Fischerin vom Bodensee" (1956)) - aber schon wenige Jahre später strebten die Deutschen auch nach weiter entfernten Zielen. Über die Alpen nach Italien oder Jugoslawien, an das Mittelmeer.

Als Genre tritt der "Tourismusfilm" heute kaum in Erscheinung, da er sich vom Schlagerfilm nur wenig abgrenzte und sich stark an einem Zeitgeist orientierte, der sich vehement wandelte. "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" spiegelte den wachsenden Trend zu mehr Aktionismus und einer freizügigeren Optik wider, auch dank der Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Jugendzeitschrift "Bravo", die ein besonders junges Publikum ansprechen wollte. Für ruhige Momente an beschaulichen Orten blieb da keine Zeit mehr. Am Beispiel der fünf Filme, die zwischen 1957 und 1966 das "blaue Meer" (einmal die "blaue Adria") in ihrem Titel führten, zeichnet der Blog diese Entwicklung nach:

                 - "Unter Palmen am blauen Meer" (1957)
                 - "Das blaue Meer und Du" (1959)
                 - "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" (1959)
                 - "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)
                 - "Komm mit zur blauen Adria" (1966) 


Lilo organisert den ersten "Kavalier" (Werner Finck)
Gemessen an den nackten Zahlen, gehörte die Urlaubsreise in den europäischen Süden Ende der 50er Jahre noch zu den exklusiven Vergnügungen in Deutschland - 1960 reiste etwa jeder Zehnte über die Alpen - im schnelllebigen Kino galt sie schon als alter Hut. Wie in den artverwandten Genres Heimat- und Schlagerfilm ging der Trend auch im Tourismusfilm zunehmend in Richtung Aktionismus. Es genügte nicht mehr, malerische Küstenorte vor der untergehenden Mittelmeer-Sonne ins Bild zu rücken, sondern es bedurfte einer abwechslungsreichen und zeitgemäßen Story. Das galt doppelt für eine aufstrebende Jugendzeitschrift wie die "Bravo", deren Auflage seit ihrer Premiere 1956 ständig gestiegen war und die in "Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" nicht einfaches "Product Placement" betrieb, sondern eng mit der Franz Seitz Filmproduktion zusammenarbeitete.

Dany Mann singt "Weil ich noch jung bin, gefährlich jung bin"
Offensichtlich zu beiderseitigem Vorteil, denn die Besetzung sowohl vor als auch hinter der Kamera sollte ein möglichst breit gefächertes Publikum erreichen. Der Schauspieler Rudolf Schündler, seit 1950 („Der Geigenmacher aus Mittenwald“) auch im Regie-Fach tätig, und die Autorin Ilse Lotz-Dupont („Wetterleuchten um Maria“, 1957) gehörten in den 50er Jahren zu den Aktivposten im Heimatfilm-Genre (siehe "Im Zenit des Wirtschaftswunders - der Heimatfilm der Jahre 1955 bis 1958") und hatten schon mehrfach ihre Anpassungsfähigkeit an den Zeitgeist bewiesen. Anders als in "Das blaue Meer und Du", der im letzten Drittel zu einem bebilderten Reise-Prospekt mit Musik wurde, legten sie gemeinsam mit Co-Autor Franz Marischka ("Liebe, Sommer und Musik", 1956) das Gewicht auf eine turbulente Story mit einer großen Anzahl bekannter Film-Stars wie Renate Ewert, Joachim Fuchsberger, Harald Juhnke und Hans von Bosordy sowie den noch frischen Gesichtern von Christine Görner und Monika Dahlberg. Dazu gesellten sich diverse Show-Acts um die mitspielende Sängerin Dany Mann:

„Weil ich noch jung bin, gefährlich jung bin,
möcht‘ ich küssen, alles wissen, von der Liebe und vom Glück“ 

Lilo gefällt Mercedes-Fahrer Martin (Hans von Bosordy)...
singt sie gleich zu Beginn und gab damit das Motto eines Films vor, in dessen Mittelpunkt verschiedene Varianten der Beziehungsanbahnung stehen. Auch Dany Mann bekam mit dem Sänger Günther Frank einen Partner an die Seite gestellt, aber ihre Rollen als Annabelle und Tommy blieben im Schatten der drei „Haupt-Paare“. Tommy war seiner angebeteten Lilo (Renate Ewert) per Goggomobil an den Comer See gefolgt und Annabelle befand sich als Cousine des reichen Hoteliers Paul Marzez (Joachim Fuchsberger) auf Grund des Bootrennens dort. Dass sie im Handumdrehen ein Paar werden, täuscht nicht darüber hinweg, dass sie wie ihre Musiker-Kollegen Ted Herold, Gus Backus oder das Orchester unter der Leitung von Max Greger ausschließlich für die Untermalung im Film zuständig waren.

...ahnt aber nicht, dass der Wagen seinem Chef Paul Marzez (Joachim Fuchsberger) gehört
Das galt auch für die geographischen Schönheiten im Hintergrund, auf die sich der Film entgegen der Betonung des „blauen Meers“ im Filmtitel nur selten konzentrierte. Stattdessen trieben die Macher das im Tourismusfilm beliebte Motiv des „Reisens per Anhalter“ auf die Spitze. Die zwei Gewinnerinnen eines „Bravo“- Preisausschreibens Lilo und Hansi (Monika Dahlberg) sollen mit einem von der Zeitschrift zur Verfügung gestellten Wohnwagen innerhalb von drei Wochen ans Mittelmeer und wieder zurück nach München reisen – ohne eigenes Zugfahrzeug. Das müssen sie sich per Anhalter organisieren. Damit noch nicht genug. Als Reise-Reporterin wird ihnen Dr. Karin Beer (Christine Görner) an die Seite gestellt, die nicht nur an einer Kolumne für die „Bravo“ arbeitet, sondern noch einige Überraschungs-Aufgaben parat hat, die die beiden jungen Frauen erfüllen müssen, wollen sie am Ende 10000 Mark gewinnen - darunter innerhalb eines Tages 10 Mark verdienen und eine Nacht im Gefängnis verbringen.

Spielchen auf dem Markus-Platz
Mit einer typischen Urlaubsreise hatte das nichts mehr zu tun. Entsprechend schnell wurden auch die touristischen Höhepunkte abgehandelt. Vor dem Anblick der Salzburg gibt Ted Herold einen Rock’n Roll auf einem Camping-Platz zum Besten, der Comer See dient als Ort für ein rasantes Schnellbootrennen und der Campanile am Markus-Platz bildet die pittoreske Kulisse für die abschließende Aufgabe mit „verbundenen Augen über einen verkehrsreichen Platz zu laufen“. Einmal sitzen Lilo und Hansi beim Rotwein auf einer Terrasse einer Osteria am Mittelmeer und betrinken sich aus Liebeskummer. Ein beschaulicher Ort, an dem sich auch viele Italiener aufhalten. Nur die Musik passt nicht dazu. Es erklingt der Schlager „So lange du einen Freund hast“ des österreichischen Vokal-Quartetts „Die blauen Jungs“, schunkelnde Gäste inclusive. Das „Blaue Meer“, Venedig und typische Italien-Vorurteile, wie der rasende Klein-LKW-Fahrer, der sich in den Bergen des Wohnwagens annimmt, bildeten nur den Rahmen, Authentizität war nicht gefragt.

Bubi (Hans Juhnke) macht die Sache mit Hansi klar...
„Mein Schatz komm mit ans blaue Meer“ hätte sich als Potpourri aus Schlager, Urlaubskulisse und einer Handlung ohne Anspruch auf Logik bis heute seinen Unterhaltungswert bewahrt, steckten die erstaunlich vielen weiblichen Hauptrollen nicht so tief in der Klischeekiste. Hansi ist der hausfrauliche Typ und erhält vom selbstbewussten LKW-Fahrer Bubi Hannemann (Harald Juhnke) schon bei der ersten Verabredung einen Heiratsantrag. Allein das sie „Eisbein mit Sauerkraut“ wie seine Mutter kochen kann, beflügelt seine Liebe. Einen Moment reagiert Hansi ob dieser wenig romantischen Argumentation beleidigt, worauf Bubi schnell einen Strauß Rosen ordern will. Doch sie stoppt ihn und begnügt sich mit einer Rose – sie müssten schließlich sparen. Die Kombination aus rustikalem Kraftfahrer und genügsamer, fleißiger Hausfrau ließe sich heute als ironische Überhöhung verstehen, war damals aber als Sympathieträger ernst gemeint.

...und Paul nimmt Dr. Karin Beer (Christine Görner) die Brille ab
Entgegengesetzt steht die flatterhafte Figur der Lilo, deren wichtigstes Kriterium für die Männer-Wahl in deren finanzieller Potenz zu finden ist. Selbstbewusst weiß sie ihre körperlichen Vorzüge ins Licht zu setzen und glaubt, jeden Mann um den Finger wickeln zu können. Natürlich einzig und allein, um den richtigen Ehemann für die zukünftige Vollversorgung sicherzustellen. Ein Anstand, um den sich die Kamera wenig scherte, die die schöne Renate Ewert meist stöckelnd und leicht geschürzt ins rechte Bild rückte. Selbstverständlich durfte Lilos berechnende Strategie nicht aufgehen. In Salzburg lernt sie den feschen Martin (Hans von Bosordy) kennen, der ihr mit seinem Mercedes-Cabriolet imponiert. Dass er nur der Mechaniker seines Chefs Marzez ist, verrät er ihr (noch) nicht. Der reiche Hotelier interessiert sich dagegen für die studierte Dr.Karin Beer, die hier für den berufstätigen, früh-emanzipierten Frauentyp steht, der seine weibliche Seite freudlos unterdrückt. Ein Fall für „Blacky“ Fuchsberger, der erst einmal dafür sorgt, dass sie ihre Brille abnimmt und ihre schönen Augen hervorkommen. Der Rest läuft dann von allein.

Nimmt man noch die ständig plappernde Annabelle hinzu, die gar nicht versteht, warum sie ihr Cousin stoppen will, ist das Frauenquartett an Vorurteilen komplett, ohne dass der Film diese Charakteristika besonders schwer nahm. Typischer Komödienstoff der späten 50er Jahre, der die beliebten Klischees ungeniert bediente. Am Ende kommen alle vier Damen unter die Haube und feiern den Gewinn von 10tsd Mark mit ihren zukünftigen Männern gemeinsam auf der „Bravo“-Bühne. Mit der „gefährlichen Jugend“ war es damit natürlich vorbei. 


"Mein Schatz komm mit ans blaue Meer" Deutschland 1959, Regie: Rudolf SchündlerDrehbuch: Ilse Lotz-Dupont, Franz MarischkaDarsteller : Joachim Fuchsberger, Christine Görner, Harald Juhnke, Monika Dahlberg, Hans von Bosordy, Renate Ewert, Dany Mann, Werner Finck, Gus Backus, Ted Herold, Ady Berber, Laufzeit : 93 Minuten

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