Donnerstag, 12. September 2013

Dr. Fummel und seine Gespielinnen (1970) Atze Glanert

Inhalt: Bevor Herr Blümlein (Robert Fackler) zu seiner Kur aufbricht, die er wegen seiner Bandscheiben dringend benötigt, greift er noch schnell tief in die Kasse des Fleischerladens, den er mit seiner Frau Rosa Blümlein (Annemarie Wendl) betreibt, von der er sonst immer sehr knapp gehalten wird. Schon im Zug kann er den Blick nicht von den Beinen der ihm gegenüber sitzenden Dame lassen, der er nur unter größten Schwierigkeiten den Koffer in die Ablage hieven konnte. Spontan entscheidet er deshalb, sich einer Massage zu unterziehen, weshalb er schon in München aussteigt.

Dank einschlägiger Informationen gelangt er in ein entsprechendes Etablissement, wo er sich als Kassenpatient vorstellt - ein geeigneter Fall für die von Dr. Fummel angeleiteten Mädchen, die unter der Leitung des Grafen (Michael Cromer) fröhlich ihrem Tagwerk nachgehen. Auf Blümlein wird die attraktive Lisa angesetzt, die weiß, wie sie einen Klienten abhängig werden lässt…


Obwohl "Dr. Fummel und seine Gespielinnen" Anfang 1970 noch vor Ernst Hofbauers "Schulmädchen-Report: was Eltern nicht für möglichhalten"  (1970) in die Kinos kam, der dem jungen deutschen Sexfilm zu ungeahnter Popularität verhelfen sollte, war es schon der vierte Film des Produzenten, Drehbuchautors und Teilzeit-Nebendarstellers Alois Brummer, der ab seinem nächsten Film "Graf Porno bläst zum Zapfenstreich" (1970) auch zum Regisseur wurde - eine Position, die hier ausnahmsweise Atze Glanert übernahm, der bei Brummers früheren Filmen "Eros Center Hamburg" (1969) und "Graf Porno und die liebesdürstigen Schwestern" (1969) als Kameramann agierte. Nur beim ersten Film "Graf Porno und seine Mädchen"(1969) war er noch nicht dabei, im Gegensatz zu Rinaldo Talamonti, der in Brummers frühen Filmen fest als Darsteller gesetzt war und bis in die späten 70er Jahre ein Hauptakteur des Genres blieb.

Mit Doris Arden, die in "Dr.Fummel und seine Gespielinnen" zum dritten Mal von Brummer besetzt wurde, war eine Aktrice mit  dabei, die schon Erfahrungen unter Ernst Hofbauer in "Heisses Pflaster Köln" (1967) gesammelt hatte und in "Carmen Baby" (1967) mitspielte - von dem us-amerikanischen Regisseur Radley Metzger in Szene gesetzt, der als ein Wegbereiter des Erotikfilms gilt. Auch Alois Brummer suchte einen eigenständigen Weg, der stilbildend für das Genre werden sollte. Im Gegensatz zu den Ende der 60er Jahre noch unter dem Deckmantel des Aufklärungsfilms verbreiteten Sexfilmen in Deutschland - eine Idee, die Hofbauer in seinen "Report"-Filmen weiter entwickelte - erzählten seine Filme eigenständige Geschichten, die auf einen derben Humor setzten, woraus sich eine bayrisch folkloristisch geprägte Sexfilm-Komödienvariante entwickelte, die Brummer später - parallel zu Franz Marischkas "Liebesgrüße aus der Lederhose"(1973) - mit "Unterm Dirndl wird gejodelt" (1973) oder "Beim Jodeln juckt die Lederhose" (1974) weiter konkretisierte.

Zwar gelten Hans Billians parallel entstandene "Pudelnackt in Oberbayern" (1969) und "Die Jungfrauen von Bumshausen" (1970) als erste Sexfilme im alpenländlichen Heimatgewand, aber auch "Dr. Fummel und seine Gespielinnen" versetzte den Handlungsort von München schon zeitweise auf einen Bauernhof, wo Franz Muxeneder - später Dauergast in den "Lederhosen"-Filmen - erstmals als krachlederner Möchtegern-Liebhaber auftrat, der hier aber noch nicht zum Zuge kommt. Zudem gilt die Rahmenhandlung den Erlebnissen des Kleinstadt-Bürgers und unterdrückten Pantoffelhelden Herr Blümlein (Robert Fackler), der - endlich von seinem Hausdrachen Rosa Blümlein (Annemarie Wendl) befreit - statt zur Kur zu fahren in der Großstadt München aussteigt, wo er erwartungsgemäß nach Strich und Faden von den Prostituierten ausgenommen wird.

Brummer scheute sich nicht, bekannte Strickmuster und Klischees deutscher Komödien-Klamotten wieder zu verwenden, um mit thematisch grob aneinander gereihten Spielszenen Humor vorzutäuschen. Das misslang völlig, da die Darsteller schlicht überfordert waren, einen Sketch gekonnt auszuspielen. Schon in einer frühen Szene, in der Talamonti als Müllmann auf den gerade in München angekommenen Blümlein trifft, wird deutlich, mit welchen Qualitäten der Film aufwarten wird - fehlendes Timing, gekünstelte Sprache und viel unfreiwilliger Humor, unterstützt noch von einem Schnitt, der abrupt von einer Szene zur nächsten überblendet. Eine Ausnahme bildete der Gelegenheitsschauspieler und Gründer des Koffer-Imperiums MCM, Michael Cromer, der hier als "der Graf" souverän auftritt und in seinem eigenen grünen Porsche (mit Autotelefon) unterwegs ist. Seine Position als Chef des Bordells und Frauenliebling ist überzeugend, während der titelgebende Dr. Fummel (Alexander Kessler) als sächselnde Witzfigur nur eine Nebenrolle innehat.

Diese filmtechnischen Feinheiten ließen sich allesamt vernachlässigen, da sie nur als Basis für die tatsächliche Intention, möglichst viel nackte Haut zu zeigen, dienten, wovon der Film auch ausreichend Gebrauch machte. Eine große Zahl ausgesprochen hübscher Frauen bevölkert entsprechend die Leinwand, aber erotische Situationen wollen sich trotzdem nicht einstellen. Im Gegensatz zu den italienischen oder französischen Erotikfilmen dieser Phase, die sich auch als Provokation gegen moralische Standards verstanden, blieb der deutsche Sexfilm ganz auf dem Boden der Bürgerlichkeit. Zwar wuseln in "Dr. Fummel und seine Gespielinnen" Männlein und Weiblein wild durcheinander, zupfen neckisch am Busen oder reiten ausgelassen aufeinander, aber sexuelle Begierde oder ein angedeuteter Geschlechtsakt existieren hier nicht - nicht einmal ein intensiver Kuss wird gezeigt.

Einzig in einer lesbischen Szene kurz vor dem Ende des Films kehrt einen Moment Ruhe ein und beschäftigen sich die beiden sonst selbstverständlich heterosexuellen Frauen intensiv miteinander - ein deutliches Anzeichen für die unveränderten Geschlechterrollen. Dass in den Sexfilmen generell dem Voyeurismus des Mannes gefrönt wurde, ist dessen ureigene Aufgabe, auffällig ist aber der beinahe völlige Verzicht auf eine intensive Mann-Frau-Beziehung. Der Geschlechterumgang behält in "Dr. Fummel" einen "Knuddel" - Charakter, um der Kamera zwar genügend Gelegenheit zu geben, entblößte Körper einzufangen, aber auch keine Neidgefühle auf eine reizvolle, den bürgerlichen Regeln widersprechende Lebensweise entstehen zu lassen. Die Rollen beschränkten sich zudem auf promiskuitive, zur Prostitution bereite Frauen, die auf junge Selbstdarsteller oder lächerliche alte Männer treffen - mit weiblicher Emanzipation hatte das nichts zu tun.

Mit "Dr. Fummel und seinen Gespielinnen" bediente Vieldreher Alois Brummer Ende der 60er Jahre geschickt den steigenden Bedarf an sexuellen Darstellungen - der Sexfilm wurde in dieser Zeit zu einem wesentlichen Bestandteil der deutschen Filmproduktion - ohne die Grundfesten der Moral in Frage zu stellen, denn dank des derben Humors, wurde jede ernsthafte Attitüde einer gesellschaftlichen Liberalisierung sofort im Keim erstickt. Erst aus heutiger Sicht wird deutlich, dass Brummers spielerische Filme auch Mut in ihrem unbeschwerten Dilettantismus bewiesen und trotz der Konzessionen an ein konservatives Publikum eine Aufbruchstimmung vermittelten, die nicht mehr aufzuhalten war, was den spezifischen Reiz dieser Filme ausmacht.

"Dr. Fummel und seine Gespielinnen" Deutschland 1970, Regie: Atze Glanert, Drehbuch: Alois Brummer, Pierre O. Pistek, Darsteller : Doris Arden, Michael Cromer, Rinaldo Talamonti, Alois Brummer, Veronika Faber, Franz MuxenederLaufzeit : 76 Minuten 

1 Kommentar:

  1. Der Film hat auch eine interessante Zensur-Geschichte (die Dokumente der BPJM liegen vor), die wir anläßlich des 40. Jubiläums bei einer Veranstaltung am Ort der Uraufführung, dem Gabriel Filmtheater München, ausführlich beleuchtet haben, cf.
    http://www.tv-kult.com/specials/20-40-jahre-dr-fummel.html

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