Sonntag, 1. Dezember 2013

Bis dass das Geld euch scheidet (1960) Alfred Vohrer

Inhalt: Der zu Reichtum gekommene Unternehmer Jupp Grapsch (Gert Fröbe) lässt sich und seine Frau Lisbeth (Luise Ullrich) zwar unmittelbar mit seiner Mercedes Limousine vorfahren - was die Herren Politiker können, kann er auch - aber Lust hat er auf die Salzburger Festspiele nicht. Schon in der Pause beschließt er, das Festspielhaus wieder zu verlassen, und nimmt seine Frau mit in ein Restaurant. Dort sieht er zufällig eine junge Frau (Christiane Nielsen), geht zu ihr und begrüßt sie freundlich. Seine Frau beschwert sich, aber Grapsch bemüht sich gar nicht erst, die Wogen zu glätten, denn von seiner Ehefrau, die trotz ihres teuren Kleides nur einen biederen Eindruck hinterlässt, hat er nach 20 Ehejahren die Nase voll.

Von ihrer Tochter Heidi (Corny Collins) erfährt Lisbeth die sonst allgemein bekannte Tatsache, dass ihr Mann mit der jungen Frau ein Verhältnis hat und ihr eine schicke Wohnung mit entsprechender Ausstattung finanziert. Sie reagiert traurig, hofft aber, dass ihr Mann, mit dem sie nach dem Krieg die gemeinsame Firma aufgebaut hatte, wieder zur Vernunft kommt. Doch im Gegenteil - er will die Scheidung, in die sie aber nicht einstimmt. Es kommt zu einer Verhandlung vor dem Familiengericht, auf die sich Jupp Grapsch mit speziellen Methoden vorbereitet...


Man kann nicht genug betonen, mit welcher Konsequenz sich die Firma PIDAX des deutschen Films annimmt. Bis im Juni 2013 Alfred Vohrers Films "Verbrechen nach Schulschluß" (1959) von der PIDAX auf DVD heraus gebracht wurde, waren seine Arbeiten vor seinen Edgar-Wallace-Verfilmungen in Vergessenheit geraten. Mit "Bis dass das Geld euch scheidet" erschien am 06.12.2013 ein weiterer Film seiner Frühphase, der nicht nur auf seine späteren Filme hinweist, sondern signifikant für die populären "Gesellschaftsdramen" in der Folge von "Die Halbstarken" (1956) steht, die neben ihrem Unterhaltungswert sehr viel über diese Phase in der damaligen BRD verraten. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite).










"Bis dass das Geld euch scheidet" war Alfred Vohrers letzter Film, bevor er unter der Produktion von Horst Wendlandt erstmals die Regie bei einem Edgar-Wallace-Film übernahm. "Die toten Augen von London" (1961) wurde der Beginn einer langen und erfolgreichen Zusammenarbeit, die bis heute den Ruf des Regisseurs als dem neben Harald Reinl ("Der Frosch mit der Maske", 1959) einflussreichsten Kreativen der Kriminalreihe bestimmt. Der thematische Bruch zwischen einem Gegenwarts-Drama und der Verfilmung eines englischen Kriminalromans der 20er Jahre hätte auch kaum größer sein können, weshalb Vohrers Frühphase als Regisseur in Vergessenheit geriet. Zu unrecht, denn Vohrer orientierte sich zwar an Reinls Wallace-Umsetzungen, entwickelte daraus aber einen eigenen Stil, der auch in "Bis dass das Geld euch scheidet" schon erkennbar ist. Ein Film, bei dem es nie ganz deutlich wird, ob es sich um ein Lustspiel, eine Satire oder ein ernsthaftes Drama handelt - und der jederzeit den Eindruck vermittelt, er könnte in einen Kriminalfall umkippen. Allein die Sequenz, in der Fröbes Gesicht im Schatten verschwindet, bevor Luise Ullrichs Antlitz wieder aus dem Schatten auftaucht könnte unmittelbar aus einem Wallace-Krimi stammen.

Inhaltlich befand sich Alfred Vohrer noch auf der Linie seiner erfolgreichen Jugend-Problemfilme "Schmutziger Engel" (1958) und "Verbrechen nach Schulschluß" (1959), die in Folge von "Die Halbstarken" (1956) eine Hochphase im deutschen Kino erlebten. Neben schon populären Genre-Darstellern wie Heidi Brühl, Sabine Sinjen und Christian Wolff, galt seine Vorliebe besonders Corny Collins, die er in "Bis dass das Geld euch scheidet" schon zum dritten Mal besetzte. Oberflächlich scheint das Thema Ehescheidung nichts mit den Problemen Heranwachsender zu tun zu haben, aber der Film wechselte nur die Perspektive. Galt der Fokus zuvor Jugendlichen, die dank eines unbescheidenen oder unmoralischen Lebenswandels in Gefahr gerieten, ihren Ruf zu verlieren, im Gefängnis zu landen oder gar zu Tode zu kommen, steht in "Bis dass das Geld euch scheidet" ein Ehepaar mittleren Alters im Mittelpunkt, dass während des allgemeinen Wirtschaftsaufschwungs zu Reichtum gelangte, woraus der Ehemann nun das Recht zu ziehen glaubt, seine Ehefrau gegen eine Jüngere einzutauschen.

Die Intention blieb immer die Selbe - die Warnung vor den Versuchungen einer modernen Gesellschaft. Drehbuchautor Heinz Oskar Wuttig verarbeitete wie schon für "Die Frühreifen" (1957) eine zuvor in einer Zeitschrift ("Quick") veröffentlichte Romanvorlage, die zwar den damaligen Publikumsgeschmack traf, deren Autorin Angela Ritter heute aber gänzlich unbekannt ist. In diesem Fall zu Recht, denn strukturell entwickelte die Story auf Basis veralteter Geschlechterrollen eine vorhersehbare Dramatik, deren Absichten wenig verschlüsselt wurden. Während der neureiche, grobschlächtige Mann (Gerd Fröbe) sein Vermögen genießen will, in dem er sich eine junge Geliebte (Christiane Nielsen) leistet, bewahrt die kunstinteressierte, bescheiden gebliebene Ehefrau (Luise Ullrich) den Familienfrieden. Sie ist zugunsten ihrer Kinder - die fast erwachsene Tochter Heidi (Corny Collins) und ein etwa 10jähriger Sohn, beide offensichtlich verwöhnt - bereit, den Seitensprung zu verzeihen, weshalb sie nicht in die Scheidung einwilligt, die ihr Mann fordert.

Neben den Familienmitgliedern existieren diverse Nebenfiguren, die Komplexität vorgaukeln, letztlich die angestrebte Botschaft aber nur unterstreichen. Dem jungen Adligen Poldi (Peter Parak), dem Verlobten von Tochter Heidi, wird zuerst vorgeworfen, noch nichts im Leben geleistet zu haben, weshalb er entschlossen beweist, um welch fleißigen und soliden Burschen es sich bei ihm handelt. Interessanter ist der von Wolfgang Lukschy gespielte professionelle Frauenverführer, der sein Geld damit verdient, Ehefrauen in Flagranti zu erwischen, damit sie schuldig geschieden werden - ein egoistisches, nahe der Kriminalität agierendes Subjekt, dass nur der finsteren Modernisierung der Gesellschaft entsprungen sein konnte. Und nicht zuletzt die junge Geliebte, die kein Problem damit hat, einen dicklichen, älteren Mann seiner Familie wegzunehmen, nur um ihren eigenen wirtschaftlichen Vorteil daraus zu ziehen.

Ähnlich wie bei seinem Drehbuch für "Die Frühreifen" gelang es Heinz Oskar Wuttig diese altmodische Story im Detail zu beleben, unterstützt von Alfred Vohrers Regie, der von Familienidylle á la "Ferien auf Immenhof" (1957) schlagartig zu Satire wechselte - etwa wenn Jupp Grabsch (Gert Fröbe) so gar nichts mit den Salzburger Festspielen anfangen kann - oder echte Spannung aufbaut, als es zum klassischen Show-Down vor Gericht kommt. In den Credits wird seltsamerweise nicht erwähnt, dass mehrere Szenen aus Gert Fröbes erstem Film "Berliner Ballade" (1948) in die Handlung integriert wurden. Diese sollten die Rede seiner Frau Lisbeth unterstreichen, in der sie vor Gericht ihre gemeinsame Aufbauarbeit nach dem Krieg schildert, woraus sich die moralische Verpflichtung ergeben soll, jetzt nicht einfach eigene Wege zu gehen. Da Fröbe im Vergleich zu seiner Rolle als "Otto Normalverbraucher" deutlich an Bauchumfang zugelegt hatte, wurde nur Luise Ullrich in die Szenen von 1948 eingefügt, während ein schmales Fröbe-Double ausschließlich von Hinten zu sehen ist. Die Handlung wurde deshalb von Düsseldorf (wie es in der „Illustrierten Film-Bühne“ noch geschrieben steht) nach Berlin verlegt, da nur von dort Bilder des jungen Fröbe inmitten der Ruinen existierten. Das sein Vorname "Jupp" eine rheinländische Version von Josef ist, wurde ignoriert.

Eigenständige, für ihre Zeit moderne Details – weder werden der untreue Ehemann, noch seine Geliebte einseitig negativ dargestellt, was auch dem differenzierten Spiel Fröbes und Christiane Nielsens zu verdanken ist – lassen sich aus dem Zeitkontext heraus erkennen, aber auch im Vergleich zu heutigen Beziehungsgeschichten, überrascht es, wie konsequent der Film letztlich bleibt. Ohne seinen Unterhaltungscharakter zu verlieren oder übertrieben auf die Tränendrüse zu rücken, gelang es Vohrer ein persönliches Drama wiederzugeben, dass sich auch Heute noch - entschlackt vom Ballast der 50erJahre Moral-Keule – seine Authentizität bewahrt hat.

"Bis dass das Geld euch scheidet" Deutschland 1960, Regie: Alfred Vohrer, Drehbuch: Heinz Oskar Wuttig, Angela Ritter (Roman), Darsteller : Gert Fröbe, Luise Ullrich, Corny Collins, Wolfgang Lukschy, Christiane NielsenLaufzeit : 96 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Alfred Vohrer: 

"Schmutziger Engel" (1958)
"Die toten Augen von London" (1961)

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