Donnerstag, 4. April 2013

Die Feuerzangenbowle (1944) Helmut Weiss


"Die Feuerzangenbowle" von 1944 gilt als die zweite Verfilmung des gleichnamigen Romans von Heinrich Spoerl und damit als "Remake" von "So ein Flegel" aus dem Jahr 1934. Tatsächlich haben beide Filme wenig gemeinsam und erst der 1944er Film wurde zu einer "echten" Umsetzung des Buches. 


Inhalt: Dr.Hans Pfeiffer (Heinz Rühmann), ein erfolgreicher Schriftsteller, kommt etwas zu spät zu dem Treffen einer Herrenrunde, um festzustellen, dass die Honoratioren der Feuerzangenbowle schon stark zugesprochen haben und aufgedreht von alten Schulzeiten erzählen. In ihr Gelächter kann er nicht einstimmen, da er selbst nie auf eine staatliche Schule ging, sondern privat unterrichtet wurde. Alkoholselig fassen sie einen Plan, um ihm diese Erfahrung für ein paar Wochen zu ermöglichen. Sie lassen ihn wieder wie einen Pennäler aussehen und schicken ihn auf ein kleinstädtisches Gymnasium.

Dort angekommen, muss er feststellen, dass sich Niemand für den „Neuen“ interessiert und das seine flappsigen Sprüche bei den Klassenkameraden der Oberprima noch nicht recht ankommen. Zudem bestellt der Direktor (Hans Leibelt) ihn zu sich, damit er sich eine anständige Unterkunft besorgt und nicht im Hotel wohnt, was sich für einen Schüler nicht gehört. Er kommt bei der Witwe Windscheidt (Anneliese Würtz) unter, die ihn vor den Versuchungen junger Mädchen warnt, aber Pfeiffer war schon Eva (Karin Himboldt) begegnet, der Tochter des Direktors, deren Desinteresse ihn erst anspornt…


Die Geschichte ist inzwischen altbekannt. Als Heinz Rühmann erfuhr, das „Die Feuerzangenbowle“ nicht aufgeführt werden durfte, ging er persönlich zu Adolf Hitler, führte ihm den Film vor und erhielt so die Erlaubnis, den Film doch in die Kinos bringen zu können. Vom Propagandaministerium war kritisiert worden, dass der Film die Autorität des Lehrpersonals untergraben hätte, obwohl Heinz Rühmann die Rolle des Oberlehrers Brett (Lutz Götz) im Gegensatz zum Roman Heinrich Spoerls extra im nationalsozialistischen Sinne hatte umschreiben lassen. Dessen Schluss-Dialog mit dem Sympathieträger Bömmel (Paul Henckels mit überzeugendem rheinischen Idiom) verwies auf „eine neue Zeit“, die zu diesem Zeitpunkt schon längst vergangen war, und hatte mit Spoerls idealisierten Erinnerungen einer Schulzeit nichts zu tun.

Sein erster 1933 erschienener Roman, der die Grundlage für den bekanntesten Rühmann-Film bilden sollte, war ähnlich wie seine späteren Werke „Der Maulkorb“ oder „Wenn wir alle Engel wären“ eine Geschichte vom Niederrhein, die humoristisch und liebevoll einen durchaus kritischen Blick auf den Charakter der hier lebenden Menschen warf und ein stimmiges Zeitbild des frühen 20. Jahrhunderts nachzeichnete. Heinz Rühmann, der noch mit Vierzig wie ein Pennäler aussehen konnte, hatte sich als ideale Verkörperung der Spoerlschen Hauptfiguren erwiesen, weshalb er schon in „Wenn wir alle Engel wären“ (1936) und in „Der Gasmann“ (1941), der im Gegensatz zu Spoerls früheren Romanen in Berlin angesiedelt war, die tragende Rolle übernommen hatte. Beinahe vergessen ist dagegen, dass Rühmann die Rolle des Hans Pfeiffer schon früh in seiner Karriere spielte, in der ersten Adaption der „Feuerzangenbowle“, die unter dem Titel „So ein Flegel“ 1934 in die Kinos kam.

Heinz Rühmanns großer Einsatz für die zweite Fassung der „Feuerzangenbowle“ ist aus der Entwicklung seit dieser Zeit erklären. Nicht nur der Schauspieler, auch Heinrich Spoerl hatte seit Mitte der 30er Jahre eine erfolgreiche Karriere hingelegt - mehrfach hatten sie zusammen gearbeitet - aber zum Entstehungszeitpunkt von „So ein Flegel“ besaß der Autor noch kein Mitspracherecht bei dem damaligen Drehbuch, das die Originalstory stark abwandelte. Gemeinsam mit Helmut Weiss, der hier erstmals die Regie übernahm, aber schon lange zu Rühmanns Vertrauten gehörte, wollten Beide die Buchvorlage endlich kongenial umsetzen, was ihnen in einer fast penibel zu nennenden Art und Weise gelang. Bis auf die oben genannte Änderung in der Figur des Dr.Brett sind die Dialoge teilweise wörtlich aus dem Roman übernommen.

Da 1944 nur noch unproblematische, der Ablenkung von den Kriegswirren dienende Stoffe gedreht werden durften, schien die zu Beginn des Jahrhunderts spielende Geschichte geradezu ideal geeignet, aber Heinrich Spoerls Romane waren trotz ihres hohen Unterhaltungswerts immer auch eine Spur anarchistisch und entlarvend. Schon der Genuss der Titel gebenden „Feuerzangenbowle“ erzeugt bei der Herrenrunde die wildesten Fantasien, die schließlich dazu führen, den von einem Privatlehrer unterrichteten Dr.Hans Pfeiffer als Pennäler auf ein kleinstädtisches Gymnasium zu schicken, wo er für ein paar Wochen endlich in den Genuss seliger Oberprimanerzeiten kommen soll – eine im bürokratischen Deutschland schwer vorstellbare Umsetzung.

Doch davon ließ sich Spoerl nicht abhalten, sondern entwickelte ein Panoptikum, das zur Grundlage aller Filme über die Schulzeit werden sollte. Skurrile Lehrer, aufmüpfige Klassenkameraden, verschworene Gemeinschaften, Schulstreiche und nicht zuletzt die süßen Mädchen vom Lizeum gegenüber, erzeugten eine Atmosphäre, die jeden Betrachter unmittelbar an seine eigene Schulzeit erinnert, auch wenn diese nur wenig konkrete Parallelen mit dem hier gezeigten Geschehen aufweisen – denn Spoerls Geschichten folgen ihren Träumen und versuchten gar nicht erst, realistisch zu sein. Für die späte Phase des Nationalsozialismus war dieser idealisierte Gegenentwurf zum autoritären Schulbetrieb zu individuell, zu gleichberechtigt im Umgang zwischen Schülern und Lehrpersonal, weshalb „Die Feuerzangenbowle“ noch heute, sieht man von dem genannten Dialog einmal ab, uneingeschränkt empfohlen werden kann. Allein die Szene, in der Marion (Hilde Sessak) ihrem in die Kleinstadt entlaufenen Dr.Hans Pfeiffer zeigt, warum er wieder mit ihr nach Berlin zurückgehen soll, entsprach keineswegs den damaligen Moral-Vorstellungen.

Trotz dieser zeitlosen Qualitäten, sollten die Umstände der Entstehung nicht vergessen werden. Während im Film eine heile Welt gezeigt wird, mit einer Hauptfigur, die sich die Freiheit erlauben kann, für ein paar Wochen eine Auszeit vom Erwachsensein zu nehmen, waren einige der jungen Darsteller schon als Soldaten gefallen, bevor „Die Feuerzangenbowle“ uraufgeführt wurde. Auch für Heinz Rühmann blieb es nicht nur sein letzter vor dem Ende des Kriegs gezeigter Film, sondern auch sein letzter großer Erfolg für mehr als 10 Jahre. Der abschließenden Szene des Films kommt eine entsprechende Bedeutung zu. Nicht nur die Geschichte von Hans Pfeiffer war erfunden, entstanden in den von der Feuerzangenbowle benebelten Gehirnen, die in alten Erinnerungen schwelgten, sondern dem gesamten Film haftet bis heute etwas Unwirkliches an. 

"Die Feuerzangenbowle" Deutschland 1944, Regie: Helmut Weiss, Drehbuch: Heinrich Spoerl (Roman), Darsteller : Heinz Rühmann, Karin Himboldt, Hilde Sessak, Erich Ponto, Paul Henckels, Hans Richter, Laufzeit : 93 Minuten 

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