Montag, 31. August 2015

Warum hab' ich bloß 2x ja gesagt? (1969) Franz Antel

Vittorio (Landa Buzzanca) mit italienischer Ehefrau (Raffella Carrà)...
Inhalt: Wie immer wird Vittorio Coppa (Lando Buzzanca) von seiner Frau Teresa (Raffaella Carrà) am Bahnhof in Rom verabschiedet, wo er als Zugbegleiter im Schlafwagenabteil seinen Dienst antritt. Seine Tour führt ihn wie gewohnt nach München, wo ihn seine Frau Ingrid (Teri Tordai) schon erwartet. Entsprechend wechselt Vittorio bei jeder Dienstfahrt Ehering und das Bild der Liebsten im Anhänger und freut sich über seine zwei schönen Ehefrauen. Ein schlechtes Gewissen kennt er nicht, denn er hat sie Beide schließlich ordentlich geheiratet, weshalb er seinem Schwager auch voller Überzeugung die Meinung geigt, weil dieser seine Frau betrogen haben soll.

...und deutscher Ehefrau (Teri Tordai)
Ganz im Sinn von Teresa, die stolz ist auf ihren anständigen Ehemann. Nur wundert sie sich, weshalb nach wie vor kein Nachwuchs unterwegs ist und bittet ihn, sie zu einem Arzt zu begleiten. Dr. Pellegrini (Jacques Herlin) erklärt ihm, dass bei seiner Frau alles in Ordnung ist, weshalb er ihn gerne untersuchen möchte. Vittorio kann sich dem nicht verweigern, aber er kennt den wahren Grund. Heimlich hat er Teresa die Anti-Baby-Pille untergejubelt, die seine Frau Ingrid nimmt, denn ein Kind würde sein schönes Arrangement nur gefährden. Doch noch weitere Schwierigkeiten tauchen auf…

Die am 23.10.2003 erschienene, keineswegs vergriffene DVD ist nicht wirklich empfehlenswert. Eine lieblose Veröffentlichung im falschen Bildformat (meine Screenshots stammen von der italienischen TV-Fassung), aber geschnitten, wie häufig behauptet wird, ist sie nicht. Franz Antel schuf von Beginn an zwei eigenständige Versionen, die mit kurzem Abstand nacheinander 1969 in die Kinos kamen. Nur in der italienischen Variante wurde eine einsekündige Sequenz heraus geschnitten, in der Andrea Rau einen Moment lang vollständig nackt von vorne zu sehen ist.

Dabei ist "Warum hab' ich bloß 2 x ja gesagt" insgesamt zurückhaltend hinsichtlich seiner erotischen Bilder. Sicherlich auch dem italienischen Markt geschuldet, der in dieser Hinsicht Ende der 60er Jahre noch viel konservativer war. Die "Commedia all'italiana" der 60er Jahre, die sich langsam in Richtung "Commedia sexy all'italiana" entwickelte, wollte mehr inhaltlich provozieren, weniger mit konkreten Nacktaufnahmen. Die Besonderheit des Films liegt in seiner ausgewogenen deutsch-italienischen Mischung und ist für mich ein Bindeglied zum Italo-Filmblog "L'amore in città" und ein wichtiger Baustein zu meinem Essay über die "Commedia sexy all'italiana".

  
Schon früh hatte Regisseur Franz Antel sein Gespür für den sich wandelnden Publikumsgeschmack bewiesen, weshalb es ihm seit „Kleiner Schwindel am Wolfgangsee“ (1949) gelang, mehr als zwei Jahrzehnte lang kontinuierlich im stark dem Zeitgeist ausgesetzten Heimatfilm-Genre erfolgreich zu arbeiten (siehe „Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969“). Gemeinsam mit Drehbuchautor Kurt Nachmann, der ihn seit Mitte der 50er Jahre begleitete, war er maßgeblich für die Modernisierung des Genres verantwortlich, kombinierte den Heimat- mit dem Schlagerfilm und ließ auch die zunehmende sexuelle Liberalisierung einfließen („Happy End am Wolfgangsee“, 1966). Den konkreten Schritt in Richtung Erotikfilm wagten sie innerhalb des konservativen Genres aber noch nicht, sondern wählten einen historischen Hintergrund für die fiktive Geschichte um Suzanne - die Wirtin von der Lahn (1967).

Franz Antel, der sich das Pseudonym François Legrand zulegte, besetzte die Hauptrolle mit der in Deutschland bis dahin nahezu unbekannten ungarischen Schauspielerin Teri Tordai, stellte ihr Harald Philipp als männlichen Protagonisten zur Seite und kombinierte das Ganze mit populären Heimatfilm-Mimen wie Gunther Phillip, Franz Muxeneder und Oskar Sima. Nach den zwei schnell folgenden Fortsetzungen „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ (1968) und „Frau Wirtin hat auch eine Tochter“ (1969) hatte Antel nicht nur Erfahrungen in der deutsch-italienischen Zusammenarbeit gesammelt – Edwige Fenech und Femi Benussi hatten darin frühe Auftritte als erotischer Blickfang – sondern war offensichtlich gewillt, mit seinem internationalen Team eine zeitgenössische Komödie abzudrehen.

Willy Millowitsch als italienischer Minister
Neben der obligatorischen Teri Tordai verpflichtete er die junge Italienerin Raffaella Carrà ("Rose rosse per Angelica" (Der Unbesiegbare, 1968, Regie Steno)) für die zweite weibliche Hauptrolle und als männlichen Protagonisten den damaligen italienischen Komödienstar Lando Buzzanca („Il merlo maschio“ (Das nackte Cello, 1971)), der zuvor schon eine Rolle in „Frau Wirtin hat auch eine Tochter“ übernommen hatte. Dazu kamen eine Vielzahl populärer Mimen in den Nebenrollen – Heinz Erhardt, Willy Millowitsch, Edith Hancke, Fritz Muliar und Peter Weck auf deutschsprachiger Seite, der französische Darsteller Jacques Herlin (wie gewohnt im Louis de Funès-Modus) und Franco Giacobini für den italienischen Part. Nur für die dezenten Nacktaufnahmen war allein die deutsche Seite zuständig – außer Teri Tordai noch Ann Smyrner und die damals 22jährige Andrea Rau in einer ihrer ersten Rollen.

Heinz Erhardt und Lando Buzzanca als sprachgemischtes Doppel
Auch das Drehbuch wurde zu einer austarierten Co-Produktion. Kurt Nachmann und Günter Ebert, zuvor schon an „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ beteiligt, arbeiteten mit den erfahrenen Italienern Mario Guerra und Vittorio Vighi („James Tont operazione D.U.E.“ 1965, Regie Bruno Corbucci, Hauptrolle Lando Buzzanca)) zusammen und schufen auf diese Weise eine Kombination aus „Commedia sexy all’italiana“ und deutscher „Erotik-Komödie“, wie sie in dieser ausgeglichenen Form eine Ausnahme blieb. Die Handlung wurde gleichmäßig auf die Städte München und Rom verteilt, zwischen denen Vittorio Coppa (Lando Buzzanca) als Zugbegleiter des Schlafwagenabteils pendelt. Anstatt sich dort auszuleben, wie ihm regelmäßig unterstellt wird, verfügt er an beiden Zielorten über eine Ehefrau plus Wohnung und gesellschaftlichem Anschluss.  

Aus heutiger Sicht werden die erotischen Komödien der späten 60er/frühen 70er Jahre häufig undifferenziert und ohne historischen Zusammenhang betrachtet. Bei „Warum hab‘ ich bloß 2 mal ja gesagt“ (italienischer Filmtitel „Professione bigamo“ (übersetzt „Beruf Bigamist“)) kamen noch die unterschiedlichen soziokulturellen Voraussetzungen und die damit verbundenen Intentionen beider Länder hinzu.

„Dieses groteske deutsch-italienische Farb-Lustspiel hätte amüsant werden können, wurde jedoch durch überflüssige Sex-Attribute und einen Tiefschlag gegen die Ehemoral nur geschmacklos und peinlich. Ohne jede Befürwortung.“

Vittorio knöpft sich seinen fremdgehenden Schwager vor
Diese Reaktion des „Evangelischen Film-Beobachters“ galt in Deutschland Ende der 60er Jahre schon als konservativ, im erzkatholischen Italien, in dem zu dieser Zeit Ehescheidungen noch nicht legalisiert waren, bedeutete der sympathische Bigamist noch eine echte Provokation. Und stand damit ganz in der Tradition der „Commedia all’italiana“, die sich als Angriff auf Doppelmoral und tradierte Geschlechterrollen verstand. Deutlich wird der Unterschied zwischen beiden Ländern an der kleinen Nebengeschichte um die Anti-Baby-Pille. Für Vittorio, da sehr um die Aufrechterhaltung seines Arrangements bemüht, spielt sie eine große Rolle, weil ihm Nachwuchs nicht in den Kram passt. Während Ingrid (Terri Tordai) ganz selbstverständlich das Präparat nimmt, schmuggelt es Vittorio seiner italienischen Ehefrau Teresa (Raffella Carrà) als Medikament unter – Geburtenkontrolle wurde in Italien Ende der 60er Jahre noch streng geächtet.

Großfamilie in Rom...
Es ist müßig, über den Realitätsanspruch einer solchen Konstellation nachzudenken, da allein Lando Buzzancas Spiel und das seiner gut aufgelegten Mitstreiter keinen Zweifel an der überdrehten Situation lassen, die ganz in italienisch-deutschen Klischees badete. In Rom die in einem leicht herunter gekommenen Haus lebende generationsübergreifende Großfamilie, die jedes Detail mit größter Emotionalität kommentiert – Streiks und fremd gehende Machos sind selbstverständlich an der Tagesordnung – in München das modern eingerichtete Neubau-Appartement mit berufstätiger Ehefrau, die mehr Ehrgeiz von ihrem Ehemann erwartet. Dazu ein befreundetes Paar, das sich nur um sein Sexleben sorgt, und Nachbarn, die ungeniert mit dem Fernglas spannen. Größer könnte der Unterschied kaum sein – während Vittorio in Italien den moralischen Ehemann gibt, hat er in Deutschland nichts eiligeres zu tun, als sich auf seine Frau zu stürzen.

...und modernes Großstadtleben in München
Es wäre einiges herauszuholen gewesen aus dieser Versuchsanordnung, aber anders als Vittorio scheitert der Film an seinen Sprach- und Mentalitätsgrenzen. Die Italienische Fassung verfügt über einige schöne Ansätze, etwa wenn Vittorio seinen fremdgehenden Schwager zurechtweist, weil er sich moralisch überlegen fühlt - er hat schließlich seine beiden Frauen korrekt geheiratet. Auch die abschließende Gesichtsszene und das Vittorio am Ende gut davon kommt – der italienische Filmtitel „Professione bigamo“ erweist sich in dieser Hinsicht als stimmiger – sind eine wunderbare Satire auf die damalige Scheinmoral. Nur verwässern die vielen „deutschen“ Handlungsanteile diesen Eindruck. Dass es in Deutschland sexuell offener zuging, wird keinen Italiener provoziert haben, abgesehen davon, dass der spezifische Sprach-Witz von Heinz Erhardt, Willy Millowitsch und Edith Hancke auf Italienisch nicht mehr wirkt.

Püppi (Ann Smyrner) versucht wieder Pepp in ihr Eheleben zu bringen
In der deutschen Sprachfassung funktioniert ihr Humor selbstverständlich, aber dafür fehlt ihr jede anarchische Qualität. Zwar sollten das Spanner-Paar und Ann Smyrner als notgeile Püppi, deren Mann (Rainer Basedow) nach wenigen Ehejahren keine rechte Lust mehr verspürt, ironisch auf die zunehmende Sexualisierung der Gesellschaft anspielen, lagen damit aber ganz auf der Linie vieler Erotik-Komödien dieser Zeit, die damit gleichzeitig voyeuristische Bedürfnisse befriedigten. Auch der „Tiefschlag gegen die Ehemoral“, den der „Evangelische Film-Beobachter“ beklagt, besitzt nur die Kraft eines lauen Lüftchens. Schuld und damit unmoralisch ist nur Vittorio – und der ist bekanntlich Italiener. Die Ereignisse in Rom vermitteln typisches Lokalkolorit ohne doppelten Boden, auch wenn Willy Millowitsch als italienischer Minister mit kölschem Dialekt den Eindruck ein wenig stört.


Trotzdem ist „Warum hab‘ ich bloß 2 x ja gesagt“ allein wegen des Versuchs bemerkenswert, deutsche und italienische Eigenarten miteinander zu verbinden. Lando Buzzanca überzeugt wie gewohnt als Mischung aus Macho und Trottel – ein Typ, dem man die schönen Frauen genauso zutraut, wie das Chaos, dass er um sich herum anrichtet. Trotz seines Einsatzes ist aber kaum anzunehmen, dass Franz Antels Film in Italien erfolgreich lief – zu groß war der Anteil an deutschen Eigenarten. Der deutschen Komödie tat der italienische Einschlag dagegen gut und nahm der Chose ein wenig die kleinbürgerliche Betulichkeit vieler zeitgleich entstandener Komödien. Wann durfte am Ende schon ein überzeugter Bigamist der Gewinner sein?

"Warum hab' ich bloß 2x ja gesagt" Deutschland, Italien 1969, Regie: Franz Antel, Drehbuch: Kurt Nachmann, Günter Ebert, Mario Guerra, Vittorio Vighi, Darsteller : Lando Buzzanca, Teri Tordai, Raffaella Carrà, Ann Smyrner, Jacques Herlin, Franco Giacobini, Peter Weck, Edith Hancke, Fritz Muliar, Heinz Erhardt, Willy Millowitsch, Andrea RauLaufzeit : 85 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Franz Antel:

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