Mittwoch, 1. Mai 2013

Himmel ohne Sterne (1955) Helmut Käutner



Inhalt: Anfang der 50er Jahre - unter dramatischen Umständen flieht Anna Kaminski (Eva Kotthaus) über die innerdeutsche Grenze, die zwar noch einen provisorischen Charakter hat, aber schon streng bewacht wird. Leicht verletzt auf der westdeutschen Seite angekommen, trifft sie dort den Grenzsoldaten Carl Altmann (Erik Schumann), der ihr Hilfe anbietet. Ohne darauf einzugehen, begibt sie sich in das nahe gelegene Städtchen und sucht Otto (Gustav Knuth) und Elsbeth Friese (Camilla Spira) auf, die wenig erfreut über ihren Besuch sind, denn Anna ist die Mutter ihres Enkelsohns Jochen, der hier bei seinen Großeltern lebt.

Ihr Sohn war im Krieg gefallen und hatte Anna nicht mehr geheiratet. Durch die Trennung Deutschlands hatten sie entschieden, den Enkelsohn bei sich zu behalten, weil er es im Westen besser hätte. Als Anna auch diesmal zum wiederholten Male den Jungen mitnehmen will, verweigern sie ihr diese Bitte mit der Begründung, dass sie ihn schließlich mit ihrem Einverständnis adoptiert hätten. Doch Anna flieht in der Nacht mit Jochen und bittet Carl Altmann nun doch um Hilfe, um ihn über die Grenze zu schmuggeln. Willi (Georg Thomalla), ein Freund von Altmann, hilft ihr dabei, indem er sie in seinem LKW versteckt, doch als sie in der DDR ankommen, ist der Junge verschwunden...


Anna Kaminskis (Eva Kotthaus) Schicksal kam Ende des zweiten Weltkriegs sicher nicht selten vor. Als ihr Freund an die Front befohlen wurde, war sie schwanger von ihm und an eine Hochzeit nicht zu denken. Nachdem dieser im Krieg fiel, blieb sie als allein erziehende Mutter mit einem unehelichen Kind zurück. In ihrer Not wandte sie sich an die Eltern ihres Freundes, die Ihre Hilfe allerdings an die Bedingung einer Adoption ihres Enkelkindes knüpften, in die Anna gezwungenermaßen einwilligte. Diese Vorgeschichte, die sich nur aus wenigen Worten Annas erschließt, liegt zum Beginn der Filmhandlung schon einige Jahre zurück, aber sie ist die Ursache für das dramatische Geschehen und typisch für Regisseur Helmut Käutner.

Schon in seinen ersten, noch während der Zeit des Nationalsozialismus entstandenen Filmen, betonte er die Verlogenheit der allgemeinen Moralvorstellungen, die den realen menschlichen Bedürfnissen widersprach und sie zu einem Verhalten zwang, dass erst die späteren tragischen Folgen ermöglichte („Große Freiheit Nr.7“, 1943). Die Nachkriegsjahre hatten in der moralischen Strenge nicht nachgelassen, obwohl die gemeinsamen Erfahrungen im Krieg Verständnis für Annas Situation hätte erzeugen müssen. Doch erst der moralische Druck als uneheliche Mutter zwang sie zum Einverständnis in die Adoption. Anfang der 50er Jahre hatte sich ihre finanzielle Situation geändert, weshalb Anna in der Lage wäre, ihren Sohn Jochen wieder zu sich zu holen, aber zwei Fakten behindern ihren Wunsch – rechtlich ist Jochen das Adoptivkind seiner Großeltern und die neue innerdeutsche Grenze verläuft ausgerechnet zwischen den beiden unweit von einander entfernten Heimatorten.

Helmut Käutner nahm sich als einer von Wenigen schon Mitte der 50er Jahre der Teilung Deutschlands an, weshalb "Himmel ohne Sterne" nur ein Film werden konnte, der auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs provozieren musste. Dabei hätte es sich der westdeutsche Regisseur in seiner Anklage an die Trennung Deutschlands leicht machen können, in dem er die politischen Umstände und damit besonders die sowjetische Besatzungsmacht angeprangert hätte, aber das entspräche nicht Käutners Linie, der die Ursachen nie im Grossen, sondern immer im Kleinen suchte. "Ich habe die Grenze nicht gemacht!" legt er seinen Protagonisten häufig in den Mund, aber er lässt kein Zweifel daran, dass die tatsächlichen Probleme untereinander eben doch selbst erzeugt sind und die Umstände immer als Ausrede dafür herhalten müssen.

Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die Nebenfigur Mischa Bjelkin, einem sehr jungen sowjetischen Soldaten, von Horst Buchholz in einer seiner ersten Rollen mit erstaunlicher Zurückhaltung gespielt, auch bedingt dadurch, dass seine Umgebung kein Russisch versteht. Er verdeutlicht, dass für Jeden eine Wahl in seinen Entscheidungen besteht, auch ohne sich davon Vorteile zu versprechen. Gegensätzlich charakterisiert Käutner dagegen die westdeutsche Seite, die - dank des schnell eintretenden wirtschaftlichen Erfolgs in der jungen BRD - nur noch wenige Gedanken an die kommunistisch regierten Landsleute in der DDR verschwendet. Die Wahl der sympathischen Darsteller Camilla Spira und Gustav Knuth als Großeltern Elsbeth und Otto Friese, die den adoptierten Enkelsohn nicht mehr hergeben wollen, ist geschickt, denn Käutner vermeidet damit Einseitigkeiten und demonstriert authentisch, wie schnell sich die Menschen damals an die neue Situation gewöhnt hatten, besonders, wenn sie persönlich davon profitierten.

Auch den DDR-Alltag zeigte Käutner ohne Beschönigungen, vermeidet dabei aber für die Zeit typische Abqualifizierungen. So zeigt sich auch, dass es für Anna, die in einem volkseigenen Betrieb arbeitet (sehr gut Siegfried Lowitz als korrekter, aber nicht unmenschlicher Leiter), in der DDR leichter ist, als allein erziehende Mutter ihr Leben zu organisieren, obwohl sie sich sogar noch um ihre Großeltern (Lucie Höflich, Erich Ponto) kümmern muss, die sie nicht allein lassen will, weshalb für sie eine Flucht in den Westen nicht in Frage kommt. Wer aus heutiger Sicht glaubt, erst nach dem Bau der Mauer wurde es schwierig in den Westen zu fliehen, wird hier eines Besseren belehrt, denn auch wenn Anfang der 50er Jahre die Perfektion der späteren „Todesstreifen“ noch nicht bestand, so galt schon der Schießbefehl der ständig patrouillierenden Grenzsoldaten.

Auch in "Himmel ohne Sterne" spielt Käutner wieder seine Stärke aus, eine Vielzahl von Darstellern so agieren zu lassen, dass ein komplexes Geflecht an Beziehungen entsteht. Selbst kleine Rollen sind hervorragend besetzt (Georg Thomalla, Josef Offenbach, Wolfgang Neuss) und die Wahl der beiden Hauptrollen (der Sachse Erik Schumann als westdeutscher Grenzer, die aus der BRD stammende Eva Kotthaus als Anna) ist intelligent, besonders da beide damals von der DEFA besetzt wurden. Man spürt an jeder Einstellung des Films, wie ernst es Käutner damit war, ein ausgewogenes Bild beider Seiten zu zeigen. Betonte er in seinen Filmen aus der nationalsozialistischen Zeit noch die individuelle Freiheit des Einzelnen, die im Widerspruch zur äußeren Reglementierung stand, scheinen die Beteiligten hier nicht in der Lage zu sein, sich aus den ihnen aufgesetzten Strukturen und Vorurteilen zu befreien.

"Himmel ohne Sterne" fehlt jeglicher Optimismus, positive Momente entstehen nur im Verhalten einzelner Menschen, die aber wenig am Fortlauf des Dramas ändern können. In dieser Konsequenz wirkt der Film manchmal übertrieben melodramatisch, da er die Umstände so aneinander reiht, dass sich alles zum Negativen fügen muss, womit er sich auf einer Linie mit den Filmen Douglas Sirks befindet. Indem Käutner nicht einmal den Liebenden zugesteht, sich über bestehende Grenzen hinweg zu setzen, und ihnen damit einiges ihrer Reputation nimmt, geht er weit über die übliche Sezierung einer gesellschaftlichen Situation hinaus. "Himmel ohne Sterne" ist keine differenzierte Analyse, sondern eine unparteiische Anklage, etwas an den bestehenden Zuständen zu ändern – nicht erstaunlich, dass der unbequeme Film bis heute die ihm zustehende Anerkennung nicht erfahren hat.

"Himmel ohne Sterne" Deutschland 1955, Regie: Helmut Käutner, Drehbuch: Helmut Käutner, Darsteller : Eva Kotthaus, Erik Schumann, Horst Buchholz, Siegfried Lowitz, Erich Ponto, Wolfgang Neuss, Josef Offenbach, Georg Thomalla, Lina Carstens, Gustav Knuth, Laufzeit : 104 Minuten

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