Montag, 15. Februar 2016

Geheimaktion Schwarze Kapelle (1959) Ralph Habib

Inhalt: Auf Grund einer Warnung des Kellners in seinem Lieblings-Lokal kann der regime-kritische Journalist Robert Golder (Peter van Eyck) knapp seiner Verhaftung durch die Gestapo entkommen, um kurz darauf trotzdem überwältigt und entführt zu werden. Verantwortlich dafür ist eine Widerstandsgruppe aus der Führungsebene der Wehrmacht, die ihn als Boten benötigt. Er soll einer Vertrauensperson im Vatikan die Pläne Hitlers für den Westfeldzug übermitteln, damit in den betroffenen Ländern Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. So soll eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens verhindert werden und nach einer Absetzung Hitlers Friedensgespräche stattfinden.

Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) will das verhindern, kann aber den mit einem gefälschten Pass reisenden Golder nicht aufhalten, der unbeschadet nach Rom gelangt. Dort befindet sich eine Einsatztruppe der SS unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder), deren mörderisches Vorgehen aber argwöhnisch vom römischen Polizei-Präfekten (Gino Cervi) betrachtet wird. Deshalb sind sie gezwungen geschickt vorzugehen und setzen ihre beste Agentin (Dawn Addams) auf den Journalisten an…


"Geheimaktion schwarze Kapelle" erschien Ende der 50er Jahre in einer Phase, in der die Akzeptanz gegenüber Filmen, die sich mit der jüngeren Geschichte auseinandersetzten, stieg. Für Produzent Arthur Brauner bekanntes Terrain, aber der deutsch-italienisch-französischen Co-Produktion, die die PIDAX erstmals a23.12.2014 auf DVD herausbrachte, sind die Konzessionen deutlich anzumerken, die die Aufarbeitung des Nationalsozialismus damals noch erforderten.

Der erwähnte "Tatsachenbericht" über den Widerstand gegen Adolf Hitlers Kriegspläne verband unterschiedliche Aktionen zu einem Agenten-Stück mit Liebesaffäre, in dem keine reale Person außer dem Reichsführer SS Heinrich Himmler vorkam. Trotzdem hätte "Geheimaktion schwarze Kapelle" Anerkennung verdient gehabt, da sich der Film mit einem bis heute wenig bekannten Kapitel des Widerstands auseinandersetzte und gleichzeitig die veränderte Sozialisation Ende der 50er Jahre abbildete. (Die grünen Links führen zur Amazon-Bestellseite). 



Schon Mitte der 50er Jahre waren Filme über den 1945 im KZ hingerichteten langjährigen Chef der deutschen "Abwehr" Wilhelm Canaris ("Canaris" (1954)) und das Stauffenberg-Attentat auf Adolf Hitler in die Kinos gekommen - darunter der von Arthur Brauners CCC produzierte, mehrfach ausgezeichnete "Der 20.Juli" (1955) unter der Regie von Falk Harnack. "Geheimaktion schwarze Kapelle" berief sich auf ein weiteres Kapitel des Widerstands aus höchsten Kreisen der Wehrmacht. Der damalige Oberst und spätere Generalmajor Hans Oster hielt Kontakt zur obersten Heeresleitung und verriet Hitlers Pläne für den Westfeldzug an den niederländischen Militär-Attaché Bert Sas, um eine weitere Eskalation des Krieges nach der Besetzung Polens zu verhindern. Im Auftrag Osters und unter dem Schutz der „Abwehr“ versuchte parallel der Rechtsanwalt und Offizier der Wehrmacht Josef Müller - nach dem Krieg erster Vorsitzender der bayrischen CSU - über den Vatikan in Rom Kontakt zum britischen Botschafter aufzunehmen. Für den Fall, dass Hitler stürzt, sollte ein Friedensabkommen mit England vorbereitet werden.

Oster und viele seiner Mitstreiter wurden später von der Gestapo verhaftet und zum Tode verurteilt, aber ihr vergeblicher Versuch, die Nationalsozialisten aufzuhalten ist heute weit weniger bekannt als das Stauffenberg-Attentat. Noch unbekannter ist die deutsch-italienisch-französische Co-Produktion „Geheimaktion schwarze Kapelle“, obwohl Ende der 50er Jahre die Akzeptanz für eine kritische Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit stieg – Filme wie „Kriegsgericht“ (1959) mit Karlheinz Böhm oder Bernhard Wickis „Die Brücke“ (1959) erhielten hohe Anerkennung. Trotzdem galt die Thematik nach wie vor als heikel. Gut zu erkennen am Verhalten des Journalisten Robert Golder (Peter van Eyck), der die Geheim-Pläne für den Westfeldzug nur einem angesehenen Mitglied der Kirche überlassen will. Gebetsmühlenartig wiederholt er, kein Verräter am eigenen Volk sein zu wollen – ein Vorwurf, dem sich die Widerstandskämpfer noch in den 50er Jahren ausgesetzt sahen. Von Hans Oster sind die Worte überliefert:

„Man könnte nun sagen, dass ich ein Landesverräter sei, aber das bin ich in Wahrheit nicht. Ich halte mich für einen besseren Deutschen als all die anderen, die Hitler nachlaufen. Mein Plan ist und meine Pflicht sehe ich darin, Deutschland und damit die Welt von dieser Pest zu befreien.“ (Quelle: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Wikipedia)

Sieht man von dem geplanten Westfeldzug ab, unter dessen wiederholtem Aufschub durch Adolf Hitler die Glaubwürdigkeit des Widerstands litt, blieb im Film fast nichts von dieser realen Situation übrig. Autor Olaf Herfeldt hatte in seinem Roman die Übergabe der Angriffs-Pläne und den geheimen Treffpunkt in Rom zu einem Agenten-Thriller mit Liebesgeschichte vor pittoresker Kulisse kombiniert. Einzig der Reichsführer SS Heinrich Himmler (Werner Peters) als finsterer Strippenzieher im Hintergrund stand für die NS-Diktatur, seine Männer in Rom unter der Leitung von Hoffmann (Ernst Schröder) blieben dagegen austauschbare gedungene Mörder. Dieser weitgehende Verzicht auf ideologischen Ballast zeigte sich besonders bei den italienischen Protagonisten. Franco Fabrizi als aristokratischer Kontaktmann der Widerstandsgruppe mit schickem Cabriolet und Gino Cervi als römischer Polizeipräfekt walteten im Stil von Lebemännern. Zwar hing Benito Mussolinis Porträt im Polizei-Präsidium an der Wand, aber Erwähnung findet der „Duce“ im Film nicht. Im Gegenteil schien selbst der nach Gutdünken handelnde Präfekt schon im Widerstand gegen Nazi-Deutschland zu stehen.

Diese Konzession an die italienischen Co-Produzenten war möglicherweise ein Grund dafür, warum der Film in Deutschland wenig Reputation erfuhr, denn trotz der Freisprechung der obersten Heeresleitung von Schuld am kommenden Angriffs-Krieg – der Generaloberst (Werner Hinz) bleibt nach Beginn der West-Offensive gegen seine innere Überzeugung im Amt, um keinem Hitler-Gefolgsmann Platz zu machen – kamen die Bösewichte allein aus dem deutschen Lager. Dass die Hauptfigur souverän von Peter van Eyck verkörpert wurde, half nur bedingt, denn er legte seine Rolle gewohnt zwiespältig an: ein von den Ereignissen gebrochener, pessimistischer Charakter, der sich bedingungslos in die sexuell offensiv auftretende Tilla (Dawn Addams) verliebt, die als Agentin der SS auf ihn angesetzt wurde.

Zugunsten dieser Liebesgeschichte trat die ursprüngliche, mit dokumentarischen Aufnahmen über den Aufstieg Hitlers beginnende, politische Dimension des Films in den Hintergrund, auch weil der französische Regisseur Ralph Habib die Ereignisse in Rom im Stil der damaligen Gegenwart inszenierte. Nächtliche Partys, Strandleben in Ostia, die Nacktszene in der Umkleidekabine oder die gemeinsame Nacht in seinem Hotelzimmer – mit den späten 30er Jahren hatte das nur wenig zu tun. Betont wurde dieser Eindruck noch durch die Besetzung der weiblichen Hauptrolle mit der us-amerikanischen Schauspielerin Dawn Addams, deren Optik und ihr selbstbewusst, pragmatisches Auftreten einem modernen Frauenbild entsprachen. Addams, die als „Femme fatale“ kurz zuvor in „Die feuerrote Baronesse“ (1959) schon wenig aufregte, war mit ihrer reduzierten Erotik ideal besetzt, da sie trotz ihrer Rolle als Verführerin den moralisch geforderten Anstand wahrte – die notwendige Voraussetzung für die Akzeptanz des Liebespaars Golder/Tilla.

Trotzdem war diese Konstellation dem damaligen Publikum schwer zu vermitteln, wie am letzten Satz der Inhaltsangabe der „Filmbühne“ deutlich wird:

„Für Golder und Tilla bleibt nur noch die Hoffnung, das Glück ihrer Liebe in der Flucht nach Südamerika zu retten“ (Filmbühne Nr.5002, Beilage der Pidax-DVD)


Vielleicht wollte der Autor des Textes damit ein mögliches Happy-End konkretisieren, das die sonstigen historischen Umstände nicht hergaben, aber diesen Gefallen tat ihm der am Ende offen bleibende Film nicht. Für eine Aufarbeitung der realen Hintergründe des Widerstands gegen die Nationalsozialisten ist „Geheimaktion schwarze Kapelle“ historisch zu ungenau und zu unentschieden zwischen Polit-Thriller und Liebesgeschichte, aber als düsteres Zeitbild funktionierte er. Die desillusionierten Lebensentwürfe der beiden Protagonisten wiesen in ihrem Pessimismus schon in Richtung „Denn das Weib ist schwach…“ (1961), der ebenfalls auf Basis eines Drehbuchs von Hans Nicklisch entstand. Darin beschrieb er die Ernüchterung nach einem "Wirtschaftswunder"-Jahrzehnt mit großen sozialen Veränderungen – ein Einfluss der Gegenwart, Ende der 50er Jahre, der auch „Geheimaktion schwarze Kapelle“ anzumerken ist.

"Geheimaktion schwarze Kapelle" Deutschland, Italien, Frankreich 1959, Regie: Ralph Habib, Drehbuch: Hans Nicklisch, Olaf Herfeldt (Roman), Darsteller : Peter van Eyck, Dawn Addams, Werner Peters, Franco Fabrizi, Gino Cervi, Ernst Schröder, Werner Hinz, Laufzeit : 98 Minuten 

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