Freitag, 13. November 2015

Zarte Haut in schwarzer Seide (1961) Max Pécas

Inhalt: Daniela (Elke Sommer) wird von ihrer Mutter (Käthe Haack) zum Münchner Hauptbahnhof begleitet, von wo sie nach Rom fährt, um einen Job als Mannequin anzutreten. Aus einer Zeitschrift, die sie sich am Bahnhof kauft, erfährt sie den Grund für diese Chance – eine Kollegin war tot aufgefunden worden, weshalb die Stelle frei wurde. Für Daniela, die die Welt kennenlernen will, ist das egal, aber ihre Mutter macht sich große Sorgen. In Rom angekommen, scheinen diese Befürchtungen unberechtigt, denn Graf Castellani (Ivan Desny) erweist sich als so charmanter wie großzügiger Chef und empfängt Daniela sehr herzlich.

Ganz anders als Karl Bauer (Helmut Schmid), der im benachbarten Hotelzimmer mitten in der Nacht bei lauter Musik in seine Schreibmaschine tippt und Daniela weckt. Zudem dringt er noch in ihr Zimmer ein, um den Kerl kennenzulernen, der sich dort verbirgt. Ein Betrunkener hatte die Herrenschuhe versehentlich vor Danielas Zimmer geschoben. Nach dieser eher unerfreulichen ersten Begegnung fasst Daniela nur schwer Vertrauen zu dem Journalisten, der sich ständig in der Nähe Castellanis herumtreibt und ihn als Verbrecher bezeichnet…


Die 2004 herausgekommene DVD "Zarte Haut in schwarzer Seide" des nicht mehr existenten Labels "Starmedia" war ein typischer Schnellschuss der frühen DVD-Phase - körniges Bild, falsches Format, ein Screenshot als Cover und ein Begleittext, der keine Ahnung hatte. Bei dem "französischen Model Daniella" handelt es sich um die junge Deutsche Daniela, gespielt von Elke Sommer, die danach noch viele Filme in Europa drehte, nicht zuletzt mit Regisseur Max Pécas im folgenden Jahr. Für den Autoren des Covertextes ist "Zarte Haut in schwarzer Seide" dagegen ihr letzter europäischer Film bevor sie nach Hollywood ging.

Kurz, die DVD ist mies, aber trotzdem empfehlenswert, denn Max Pécas' zweiter Film, zudem seine einzige deutsche Produktion, ist als früher Erotikfilm ein rares Vergnügen. Und es ist kaum zu erwarten, dass es ihn einmal in adäquater Qualität geben wird.








Sorgenvoll verabschiedet die Mutter (Käthe Haack) ihre Tochter Daniela (Elke Sommer) am Münchner Hauptbahnhof. Die blonde junge Frau tritt in Rom eine Stelle als Mannequin an, die frei wurde, nachdem ihre Vorgängerin tot aufgefunden wurde - kein gutes Omen für einen Job in der Fremde. Noch während der Zug den Bahnhof verlässt, sind die kommenden Gefahren schon mit Händen zu greifen: Vergewaltigung, Prostitution, Mord. Was läge näher, als die Warnung vor dem moralischen Verfall in eine aufwühlende Sex-and-Crime-Story zu packen? - Elke Sommer hatte erst kurz zuvor in "...und sowas nennt sich Leben" (1961) ein Mannequin gespielt, dass sich unlauteren Annäherungen erwehren musste, Ivan Desny wurde als Playboy in "Geständnisse einer Sechzehnjährigen" (1961) zum Mordopfer und Helmut Schmid gab wenig später in "...denn das Weib ist schwach" (1961) einen in kriminelle Machenschaften verwickelten Anwalt zwischen zwei Frauen - erneut nach einem Drehbuch von Wolfgang Steinhardt, der auch die Story zu "Zarte Haut in schwarzer Seide" verantwortete.

Und das Erwartete geschieht. Der Leiter des Modestudios Graf Castellani (Ivan Desny) erweist sich als sinistre Persönlichkeit, die offensichtlich über Leichen geht, es aber glänzend versteht, junge Frauen mit seinem Charme zu überzeugen. Auch Daniela ist schnell von dem eleganten Lebemann begeistert und bereit, seinen Ausführungen Glauben zu schenken. Dagegen weckt Karl Bauer (Helmut Schmid), angeblicher Journalist, ihr Misstrauen. Erst stört er als Nachbar im angrenzenden Hotelzimmer ihre Nachtruhe, dann poltert er brachial in ihr Leben. Obwohl er sich für sie einsetzt, als wieder eine Frauenleiche gefunden wird, schenkt sie seinen Worten, Castellani wäre ein Verbrecher, keinen Glauben. Der Beginn eines verwirrenden Spionage- und Erpresserplots, der bis nach Paris führt und mit immer neuen Wendungen aufwarten kann, weshalb der Film auch in Richtung der damals populären „Edgar Wallace“-Reihe vermarktet wurde. Zur Enttäuschung falsch geschürter Erwartungen, denn „Zarte Haut in schwarzer Seide“ ist weder Moralkeule noch Gruselkrimi, sondern ein Max Pécas-Film.

Der Blick auf Pécas‘ folgenden ebenfalls mit Elke Sommer in der Hauptrolle entstandenen Film hilft, sich der ungewöhnlichen Kombination aus deutschem Drehbuch, deutschsprachigen Hauptdarstellern und französischer Regie anzunähern. Das Drama „Douce violence“ (Sie nennen es Liebe, 1962) entwickelt seine Story um eine Gruppe junger Menschen vor dem sonnigen Hintergrund der Mittelmeerküste. Ein Abbild der sich rasant verändernden Sozialisation der Nachkriegsgesellschaft – sexy und cool, eingeleitet von einem Johnny Halliday-Song und begleitet von der Musik Charles Aznavours. Dieser gab schon in Pécas‘ erstem Film "Le cercle vicieux" (Die Begierde treibt den Mann, 1960) den Takt vor und sorgte auch in „Zarte Haut in schwarzer Seide“ für eine Atmosphäre der Moderne, in der die Story nur den Hintergrund abgab für das eigentliche Thema – Sex. Noch vor seinem bekannteren Landsmann José Bénazéraf  („Seine frühen Erotikfilme 1963 – 1974“) ging Max Pécas konsequent den Weg in Richtung Sexfilm, der ihn Mitte der 70er Jahre auch zur Pornografie führte.

Seine Zusammenarbeit mit Wolfgang Steinhardt war in dieser Hinsicht kein Zufall, denn trotz dessen nur wenige Filme umfassenden Oevres zählt der Autor zu den prägenden Figuren der Früh-Phase des deutschen Erotik-Genres. Neben „...denn das Weib ist schwach“ schuf er im selben Jahr noch die Basis zu „Riviera-Story“ mit Ulla Jacobsson unter der Regie von Wolfgang Becker („Liebe wie die Frau sie wünscht“, 1957), um mit seinen Drehbüchern Mitte der 60er Jahre die Linie in Richtung Bénazéraf („St.Pauli zwischen Nacht und Morgen“, 1967) und „Unruhige Töchter“ (1967) zu schlagen - jeweils Produktionen von Erwin C. Dietrich. Zwar stellte Steinhardt seine Figuren gerne in ein kriminelles Umfeld, aber anders als in den Edgar-Wallace-Filmen, in denen nur die Side-Kicks für frivole Anklänge zuständig waren, während die weiblichen Hauptdarstellerinnen ein Vorbild an Tugendhaftigkeit abgaben, waren seine Protagonistinnen zentraler Teil des sexuell konnotierten Geschehens.

Zudem trieb die Kombination mit Max Pécas dem Drehbuch die letzten Avancen in Richtung Moralkeule aus. Das führte zu so seltsamen Blüten, dass Danielas Mutter ihre Tochter zweimal am Münchner Hauptbahnhof mit wedelndem Taschentuch verabschiedet. Pécas wiederholte die Szene mitten im Film noch einmal, nachdem Daniela aus Rom zurückgekehrt war, um gleich nach Paris weiter zu reisen – diesmal ohne offensichtliches Job-Angebot. In beiden Abschiedsszenen steht dieselbe Statistin als Mitreisende im Zug am Fenster, aber das spielte keine Rolle, denn der französische Regisseur war sowieso an keiner emotionalen Zuspitzung interessiert. Dass inzwischen ein weiterer Mord geschehen war und Graf Castellani die junge Frau für seine Zwecke eingespannt hatte – geschenkt, Muttern hat noch denselben sorgenvollen Blick im Gesicht wie zu Beginn.

Schöner ließ sich diese klassische Betroffenheitssequenz kaum aushebeln, die beispielhaft ist für einen Film, der sein turbulentes Geschehen ohne authentische Gefühlsregungen ausbreitete, sondern nur Klischeetypen aufeinandertreffen ließ – den egoistischen Verführer, die eifersüchtige Geliebte (Claire Maurier), den hemdsärmeligen Ermittler, den geheimnisvollen Vamp (Danik Patisson) und mittendrin die naiv wirkende Blondine. Deren optische Inszenierung lag Pécas besonders am Herzen, weshalb Elke Sommer in vielfältiger Form zu sehen ist - darunter als Fotomodell vor großstädtischer Kulisse, Hotelgast im Negligé, als unfreiwillige Stripperin, die sich von einer Gruppe Matrosen retten lässt, oder mit schwarzer Perücke in einem Nachtclub. So lange die Kamera ihre hübschen Beine einfangen konnte, spielten die Umstände für ihre Abenteuer nur eine untergeordnete Rolle.

„Zarte Haut in schwarzer Seide“ steht beispielhaft für den Typus des frühen deutschen Erotik-Films, dessen Unterwelt-Milieu dafür herhalten musste, um dezente Nacktaufnahmen auf die Leinwand bringen zu können. Regisseur Pécas ließ zwar keinen Zweifel an seinen tatsächlichen Intentionen aufkommen, konnte der Co-Produktion aber den deutschen Gestus nicht ganz austreiben – trotz ihrer sexy Auftritte blieb Elke Sommer immer auch ein braves Mädel.






"Zarte Haut in schwarzer Seide" Deutschland, Frankreich 1961Regie: Max Pécas, Drehbuch: Walter Ebert, Wolfgang Steinhardt, Darsteller : Elke Sommer, Helmut Schmid, Ivan Desny, Claire Maurier, Danik Patisson, Käthe Haack, Laufzeit : 85 Minuten

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