Samstag, 17. August 2013

Das Spukschloss im Spessart (1960) Kurt Hoffmann

Inhalt: Die fünf Räuber Onkel Max (Georg Thomalla), Hugo (Curt Bois), Jockel (Hans Richter), Toni (Paul Esser) und als einzige Frau Katrin (Hanne Wieder) sollen unter der Aufsicht von Von Teckel (Hubert von Meyerinck) hingerichtet werden, aber dem Volk ist diese Strafe nicht hart genüg. Sie fordern, die Fünf in dem alten Wirtshaus im Spessartwald einzumauern, damit sie dort elendig verhungern. Von Teckel ist einverstanden und sperrt sie scheinbar für immer hinter einer Mauer ein, aber er konnte nicht mit den intensiven Arbeiten am Ausbau des Autobahnnetzes in der jungen Bundesrepublik Deutschland rechnen, denen Jahrhunderte später das Wirtshaus zum Opfer fiel. Inzwischen zu Gespenstern geworden, wollen sie sich eine neue Bleibe suchen, weshalb sie sich an das Schloss der Comtesse Franziska von Sandau erinnern, das in der Nähe gelegen ist.

Dort lebt inzwischen deren Nachfahre Charlotte (Liselotte Pulver), die nicht nur das alte Gemäuer von ihrem Vater geerbt hatte, sondern auch dessen Schulden. Deshalb steht ihr das Wasser bis zum Hals und die Pfändung des Schlosses kurz bevor. Die Ankunft der Gespenster erzeugt des nachts seltsame Vorkommnisse im Schloss, weshalb sie und ihre Tante Yvonne (Elsa Wagner) froh sind, als mit Martin „Dings“ (Heinz Baumann) ein junger Mann vor der Tür steht, der behauptet, in der Nähe einen Unfall gehabt zu haben, weshalb er um eine Unterkunft für eine Nacht bittet. Sie ahnen noch nicht, dass sein Besuch geplant war, aber die Gespenster, die sich Charlotte als ihre Freunde vorstellen, erweisen sich bald als hilfreiche Gesellen…


Nach dem großen Erfolg mit "Das Wirtshaus im Spessart" (1958), der seine kabarettistischen Seitenhiebe auf die Bundesrepublik Deutschland mit einer komödiantischen Geschichte aus alten Räuber-Zeiten und viel Musik verband, ließ Regisseur Kurt Hoffmann mit "Wir Wunderkinder" (1958) einen Film folgen, der seine Kritik unmittelbarer und vor einem ernsthafteren Hintergrund formulierte. Zu verdanken waren die respektlosen Anspielungen auf die "Wirtschaftswunderjahre" in beiden Filmen dem Duo Wolfgang Neuss / Wolfgang Müller, das besonders in "Wir Wunderkinder" zu Hochform auflief. Nach einigen weiteren Filmen des viel beschäftigten Regisseurs (unter anderen "Das schöne Abenteuer" (1959), ebenfalls mit Liselotte Pulver), die an den Kinokassen deutlich schwächer abschnitten und heute nahezu unbekannt sind, griff Hoffmann bei "Das Spukschloss im Spessart" erneut auf die alte Erfolgsformel zurück.

Zwar waren außer Hauptdarstellerin Liselotte Pulver, Hans Clarin, Hubert von Meyrinck in seiner ewigen Rolle als preußischer Kommiskopp (auch wenn er hier einen Bonner Staatsbeamten mimt) und Paul Esser Niemand der früheren Besetzung aus "Das Wirtshaus im Spessart" wieder mit an Bord, aber mit Hanne Wieder, Curt Bois, Hans Richter und Georg Thomalla wurde geeigneter Ersatz gefunden. Allerdings nicht für Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, nach dessen Unfall-Tod auch auf Neuss verzichtet wurde - ein herber Verlust, der sich deutlich in der Qualität der ironischen Anspielungen niederschlägt, die in „Das Spukschloss im Spessart“ gröber und weniger wirkungsvoll ausfielen, obwohl die Handlung diesmal in der Gegenwart spielte - zeitweise sogar unmittelbar in Bonn am Rhein, der damaligen Hauptstadt der BRD.

Um einen Zusammenhang zum ersten Film herzustellen, transferierten die Drehbuchautoren Heinz Pauck und Günter Neumann fünf der Räuber aus dem Spessartwald in die Gegenwart, wo sie diesmal als Geister ihr Unwesen treiben sollten. Der Film beginnt noch in der Vergangenheit, wo die Räuber statt am Strang zu enden, im titelgebenden Wirtshaus eingemauert werden, um sie dort qualvoller sterben zu lassen - Initiator dieses Vorgangs ist natürlich Hubert von Meyerinck als zackiger Offizier. Doch ein paar Jahrhunderte später, als das Wirtshaus einer Autobahntrasse weichen muss, kommen die Fünf wieder frei, die als Gespenster "überlebt" haben. Sie erinnern sich an das Schloss der Comtesse Franziska von Sandau, die in Teil 1 am Ende den Räuberhauptmann heiratete, und freuen sich, sie dort wieder zu sehen. Tatsächlich handelt es sich um deren Ur-Urenkelin Charlotte (Liselotte Pulver), die sie ebenfalls sofort in ihr Herz schließen, womit sich der Kreis zwischen den beiden Filmen schließt.

Auch in „Das Spukschloss im Spessart“ sind es wieder die Räuber, die für die respektlosen Sprüche und Anspielungen zuständig sind und sich nicht an die damals gängigen Moralvorstellungen halten mussten. Hanne Wieder darf deshalb eine hemmungslos promiskuitiv handelnde Schöne mimen, die vor allem im Duett mit Prinz Kalaka, den Hans Clarin als hektischen, sexgeilen Trottel gibt, ihre Reize einzusetzen weiß. Besonders an dieser Konstellation wird der stark angestaubte Charakter des Films sichtbar. Clarins zwar nicht unsympathische, aber klischeehafte Verkörperung eines reichen Scheichs, der nach Deutschland kommt, um die Finanzierung einer Talsperre zu übernehmen, lässt kaum ein Vorurteil aus, so wie Hanne Wieders Darstellung einer selbstbewusst erotisch auftretenden Frau keine emanzipatorische Züge trägt, da ihr nur als Räuberin aus dem Mittelalter ein solches Benehmen zugestanden wurde. Liselotte Pulver, die in „Das Wirtshaus im Spessart“ noch überzeugend in einer „Hosenrolle“ auftrat, verkörpert hier dagegen nicht nur Bravheit und Anstand pur, sondern wird in eine Liebesgeschichte mit dem jungen Martin Hartog (Heinz Baumann) verwickelt, die bemüht und konstruiert wirkt.

Deutlich wird daran auch, wie wenig „Das Spukschloss im Spessart“ letztlich riskierte. Für die wenigen konkreten Anspielungen – etwa wenn sich hinter dem Putz des Bonner Gerichtsgebäudes noch ein Hakenkreuz befindet, oder Hanne Wieder gegenüber Prinz Kalaka andeutet, es gäbe noch viel „Braune“ in Deutschland – sind ausschließlich die „Gespenster“ zuständig und als Karikatur auf den Bonner Beamten muss wie gewohnt einzig Hubert von Meyerinck herhalten. Dagegen wird das Potential um die Versteigerung des Schlosses der Comtesse - ein häufig gewähltes Motiv dieser Phase, siehe „Das Schloss in Tirol“ (1957) oder „Die Mädels vom Immenhof“ (1955) - verschenkt. Kaum hat Martin Hartog die bezaubernde Comtesse kennen gelernt, hat er seine ursprüngliche Intention, ihr Schloss unter einem Vorwand zu besuchen, um die Umbaumaßnahmen zu planen, schon vergessen. Er handelte im Auftrag seines Vaters, dessen Unternehmen Charlotte 100.000 Mark schuldet, weshalb die Pfändung kurz bevor steht. Eventuelle Seitenhiebe auf einen rücksichtslosen Kapitalismus wagte der Film natürlich nicht, denn nachdem sich Martin mit seinem Vater kurz entzweite, erweist sich dieser wenig später ebenfalls als anständiger Charakter, der Charlotte ihr Schloss nicht wegnehmen will. Als sich dann auch noch ein blöder US-Amerikaner findet, der 100.000 Mark für die fünf Gespenster bezahlt, um sie mit einer Rakete zum Mond zu schießen, ist nicht nur diese Schuld getilgt, sondern stellt sich auch die Frage, warum der Film nicht gleich mit hinauf geschossen wurde?

„Das Spukschloss im Spessart“, das sich selbst „Grusical“ nennt, da der Anteil an Gesangseinlagen gegenüber „Das Wirtshaus im Spessart“ deutlich gesteigert wurde, bedarf eines sehr nostalgischen Blicks, um sich an dem nur in seltenen Momenten ironischen, meist albernen und klischeehaften Treiben zu erfreuen – einzig die Tricks um die Gespenster können noch atmosphärisch überzeugen. Besonders Liselotte Pulver, deren erfrischendes Spiel immer auch selbstbewusste, emanzipatorische Züge trug, ist hier als nettes Mädel zu einseitig charakterisiert, während Heinz Baumann viel zu blass agiert, um nur einen Moment lang den knallharten Geschäftsmann zu verkörpern. Der Spagat zwischen kritisch-ironischen Anspielungen und einer unterhaltenden Komödie, der in „Das Wirtshaus im Spessart“ noch zeitweise gelang, wird in „Das Spukschloss im Spessart“ zu sehr an die Gespenster-Effekte und dem krampfhaften Bemühen, die Story im letzten Drittel noch nach Bonn zu versetzen, verschenkt, weshalb der Film den Eindruck eines Sammelsuriums hinterlässt, dessen Einzelteile nicht überzeugen können.

"Das Spukschloss im Spessart" Deutschland 1960, Regie: Kurt Hoffmann, Drehbuch: Günter Neumann, Heinz Pauck, Darsteller : Liselotte Pulver, Heinz Baumann, Georg Thomalla, Hanne Wieder, Hans Clarin, Hubert von Meyerinck, Hans Richter, Laufzeit : 97 Minuten

weitere im Blog besprochene Filme von Kurt Hoffmann:
"Drei Männer im Schnee" (1955)
"Heute heiratet mein Mann" (1956)
"Das Wirtshaus im Spessart" (1958)
"Wir Wunderkinder" (1958)
"Schloss Gripsholm" (1963)
"Herrliche Zeiten im Spessart" (1967)

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