Donnerstag, 16. Juli 2015

Schloss Hubertus (1954) Helmut Weiss


Inhalt: Graf Egge (Friedrich Ulmer) verhindert, dass sein Revier-Jäger Franz Hornegger (Paul Richter) auf einen Adler anlegt, denn er will erst wissen, wo der Raubvogel seinen Horst hat. Als Hornegger ihn darauf hinweist, dieser könnte sich im Nachbarrevier befinden, entgegnet ihm Egge, dass das auch bald sein Revier wäre. Sein Sohn Tassilo (Heinz Baumann) würde es für ihn ersteigern. Doch er täuscht sich, denn Tassilo kommt zu spät zu der Versteigerung der Jagdrechte, da er von Lieserl (Erika Remberg) aufgehalten wurde, deren Fuhrwerk im Graben landete, als sie seinem Mercedes ausweichen wollte. Sein jüngerer Bruder Willy (Raidar Müller-Elmau), der mit ihm aus München gekommen war, hatte sich nicht wohl gefühlt und war bei Lieserl geblieben.

Inzwischen war Anna Herwegh (Renate Hoy) auf Schloss Hubertus angekommen, freudig von Kitty (Marianne Koch) begrüßt, die augenzwinkernd den Verdacht äußert, dass sie immer dann erscheint, wenn sich auch ihr Bruder Tassilo angemeldet hat. Eine gerechtfertigte Bemerkung wie sich wenig später herausstellt, nachdem Tassilo endlich am Schloss angekommen war. Feierlich gibt er seine Verlobung mit Anna bekannt. Eine freudige Nachricht, wäre da nicht sein Vater, denn bei Anna handelt es sich um die Tochter des Geschäftsmanns, der statt Graf Egge die Jagdrechte ersteigert hatte…


Ausgehend von meinem Essay "Vom Bergdrama zur Sex-Klamotte - Der Heimatfilm im Zeitkontext"  gehört mein erster Blick in die Tiefen des Genres nicht zufällig dem Ganghofer-Roman "Schloss Hubertus" und seinen drei Verfilmungen 1934, 1954 und 1973. "Schloss Hubertus", 1892 erschienen und erfolgreichster Roman des Heimatdichters Ganghofer, beinhaltete schon früh einige der wesentlichen Merkmale des Genres - Kontrast Moderne/Tradition, eine alles überragende Führungsfigur und das sehr spezifische Frauenbild von Tochter "Geislein" und ihre Liebe zum Maler Forbeck. Aber auch die Wilderer-Thematik, Armut, Kindstot, große materielle Unterschiede, Doppelmoral und die offensichtliche Abhängigkeit fast Aller vom Willen eines Einzelnen fanden Einzug in einen Roman, der aus heutiger Sicht gelesen keineswegs uneingeschränkte Sehnsüchte nach "der guten alten Zeit" weckt. 

Umso interessanter ist es, die Umsetzung der Romanvorlage mit wachsendem zeitlichen Abstand zu beobachten, auch weil die Filmrechte über mehr als ein halbes Jahrhundert in der Hand Peter Ostermayrs lagen, der sie 1918 noch von Ludwig Ganghofer selbst erwarb. Dank der Veröffentlichung aller drei Versionen auf DVD durch FILMJUWELEN, besteht endlich die Möglichkeit die Filme nicht nur mit dem Romantext zu vergleichen, sondern ihre Entwicklung genauer zu analysieren:             "Schloss Hubertus" (1934), "Schloss Hubertus" (1973)


50er Jahre Idyll - Kaffeetafel vor dem Schloss
Nach dem Ende des 2.Weltkriegs dauerte es nur wenige Jahre bis Peter Ostermayr wieder Filme zu produzieren begann. Mit "Ein Mann gehört ins Haus" brachte er April 1948 einen Film in die Kinos, dessen Konzeption noch aus dem Jahr 1945 stammte, dann aber nicht mehr fertiggestellt werden konnte. 1950 stieg er wieder voll in die Ludwig Ganghofer-Verfilmungen ein. "Der Geigenmacher von Mittenwald" kam drei Monate nach "Schwarzwaldmädel" (1950) heraus, der unter der Regie seines alten Partners Hans Deppe entstanden war. Von „Schloss Hubertus“ (1934) bis „Der Ochsenkrieg“ hatten Deppe und Ostermayr bei sechs Filmen eng zusammen gearbeitet, nur sein Drehbuch zu „Waldrausch“ ließ Ostermayr von seinem Sohn Paul May (noch unter dem Namen Paul Ostermayr) umsetzen. Nach 1945 gingen sie konsequent getrennte Wege, obwohl Beide in den 50er Jahren zu den aktivsten Vertretern des Heimatfilm-Genres zählten. Auch Paul May drehte keinen Film mehr unter der Hoheit seines Vaters, der nach dem Krieg gemeinsam mit seinem Bruder Ottmar eine neue Produktionsgesellschaft gründete. Wieso es zu dieser bemerkenswerten Konsequenz kam, lässt sich leider nicht in Erfahrung bringen.

50er Jahre-Wirtschaftswunderidyll - Mercedes vor der Bergkulisse
Da Peter Ostermayr die Rechte besaß, suchte er sich neue Regisseure für seine Ganghofer-Interpretationen, wechselte die Künstler aber regelmäßig. Nur anfänglich wagte er Experimente, später wählte er seine Favoriten fast ausschließlich aus dem kleinen Kreis erfahrener Genre-Regisseure (siehe „Der innere Zirkel wächst“). Nach zwei Filmen mit Harald Reinl engagierte er für seine sechste Ganghofer-Verfilmung nach dem Krieg Helmut Weiss, bekannt geworden als Regisseur der „Feuerzangenbowle“ (1944) und zuvor schon mit „Einmal am Rhein“ (1952) im Heimatfilm erfolgreich.„Schloss Hubertus“ war nicht das erste Remake einer eigenen Ganghofer-Produktion, aber die erste Wiederholung eines Films, zu dem Ostermayr auch das Drehbuch geschrieben hatte. Aus dem Vergleich beider Versionen lässt sich detailliert auf den Wandel des Publikumsgeschmacks schließen:


1. Die Romanvorlage

Graf Egge und Sohn Willy mit den Jägern Schipper und Hornegger
An den Grundzügen seiner Romanbearbeitung änderte Ostermayr nur wenig. Weiterhin beschränkte er sich auf die beiden Handlungslinien um den fanatischen Jäger Graf Egge (Friedrich Domin) und die Liebesgeschichte seiner Tochter Kitty (Marianne Koch) mit dem Maler Forbeck (Michael Heltau). Die Nebengeschichten, die Ludwig Ganghofers Roman einen realistischen Hintergrund verliehen (ausführliche Analyse, siehe „Schloss Hubertus“ (1934)), ließ er erneut größtenteils weg. Auf Grund des fortgeschrittenen Alters von Paul Richter, der mit knapp 60 Jahren ein zweites Mal den Jäger Hornegger spielte, ist die Hochzeit mit der von ihm begehrten Mali (Elisabeth Wischert) schon vollzogen. Die im Roman beschriebenen dramatischen Umstände um ihre Verbindung – finanzielle Not, Kindstod, Versorgung des brüderlichen Haushalts – fehlten schon in der Erstfassung. Einzig Egges Sohn Willy (Raidar Müller-Elmau) fand diesmal Eingang in die Verfilmung, die negativ besetzte Figur des arroganten dritten Sohns Robert wurde wie schon 1934 nicht berücksichtigt.

Willy (Raidar Müller-Elmau) und Dorfschönheit Lieserl (Erika Remberg)
Die Umstände, die zum Tod Willys führen, und die Folgen daraus, hätte Ostermayr für einen kritischen Blick auf die vorherrschende Doppelmoral nutzen können, wie es Ganghofer in seinem Roman trefflich gelang, aber der Autor reduzierte die Szene allein auf Willys plötzlichen Herztod beim Versuch die Fassade zu erklettern, um an Lieserls (Erika Remberg) Fenster zu gelangen. Weder wurde Willys betrunkener Zustand betont, für den er zuvor im Wirtshaus gesorgt hatte, noch dessen Absicht, nur noch einmal bei Lieserl auf seine Kosten kommen zu wollen - nachdem ihm sein Bruder Robert geraten hatte, daraus bloß keine ernste Sache werden zu lassen. Im Film erhielt die Verbindung zwischen dem Grafen und der Dorfschönheit dagegen den Charakter einer ernsthaften Liebesgeschichte. Entsprechend fehlte auch die Konsequenz, dass Lieserl noch am frühen Morgen mit einem ihr unliebsamen Handwerker aus dem Dorf verlobt wurde, um ihren Ruf zu wahren.


2. Die Führungsfigur

Graf Egge (Friedrich Ulmen) und der verschlagene Jäger Schipper (Karl Hanft)
Der kränkliche, aber liebenswerte jüngste Sohn Willy hatte auch im Roman die Funktion, den despotisch-fanatischen Charakter des Grafen Egge etwas abzuschwächen, der mit ihm vergleichsweise rücksichtsvoll umgeht und ernsthaft schockiert auf dessen Tod reagiert. Da Ostermayr aber die generelle Verbitterung des Grafen im Umgang mit seinen Mitmenschen nicht einbezog, relativierte er dessen unbedingten Machtanspruch, seine streng konservative Haltung und ausschließliche Fixierung auf die Jagd im Vergleich zur 34er Fassung noch weiter. Beide Filme beginnen zwar fast identisch - Egge und Jäger Hornegger (Paul Richter) beobachten den Flug eines Adlers, dessen Horst sie finden wollen  – aber auf die folgende Sequenz, in der der Graf zu der Geburtstagsfeier seiner Tochter ins Schloss kommt, verzichtete Ostermayr in seiner Neufassung. Zurecht, ließe sich anmerken, denn diese Szene stammte nicht von Ganghofer. Aber sie vermittelte in der ersten Verfilmung noch viel von Egges Geisteshaltung, seiner harten Kritik an seinem ältesten Sohn Tassilo und seiner abschätzigen Meinung über eine Gesellschaft, die es sich auf seine Kosten gut gehen lässt.

Krach zwischen Vater und Sohn Tassilo (Heinz Baumann)
Dass damit auch die unglaubwürdige Story von dem Prozess, der angeblich das Vermögen des Grafen gefährdet, entfiel – in der weiteren Handlung kam Ostermayr auf diese anfänglich aufgebaute Dramatik nicht mehr zurück – war positiv, aber das veranlasste den Autor nicht, sich in seiner Überarbeitung wieder Ganghofers Roman anzunähern. Im Gegenteil konstruierte er eine noch unrealistischere Situation, nur um die Auseinandersetzung zwischen dem Grafen und Tassilo (Heinz Baumann) zu begründen, ohne die im Roman geschilderten Standesdünkel des Adligen gegenüber der Münchner Sängerin und zukünftigen Frau Tassilos, Anna Herwegh (Renate Hoy), anführen zu müssen. Stattdessen stammt die junge Frau erneut aus der Nachbarschaft. Diesmal ist sie nicht die Tochter eines Prozessgegners, sondern eines Geschäftsmanns, der die Jagd ersteigert, die an Egges Gebiet grenzt und für deren Erwerb der Graf seinen Sohn als Rechtsanwalt beauftragt hatte. Da Tassilo eine Viertelstunde zu spät eintraf, misslang das Vorhaben. Er hatte Lieserl geholfen, die mit ihrem Fuhrwerk vor seinem Mercedes erschreckte und in einem Graben gelandet war.

Graf Egge mit dem Ehepaar Franz und Mali Hornegger
Wahrscheinlich brachte das Tassilo beim damaligen Publikum Sympathiepunkte ein, aber die Wut seines Vaters ist ebenso verständlich wie Ostermayrs Story an den Haaren herbei gezogen. Kaum eine Gemeindeverwaltung wird sich wegen ein paar Minuten Verspätung einen potenten Bieter entgehen lassen, abgesehen davon, dass es die normale Professionalität vorschreibt, mindestens eine Stunde früher vor Ort zu sein. Erst recht, wenn es sich um einen so wichtigen Termin für den eigenen Vater handelt. Vielleicht hielt Ostermayr die Standesdünkel des Grafen gegenüber einer Sängerin auch nicht mehr für zeitgemäß, denn er hatte die Handlung in die Gegenwart, Mitte der 50er Jahre, verlegt, aber das entschuldigt nicht die fehlende innere Schlüssigkeit der von ihm erdachten Alternative. Diese geringen Abweichungen von Ganghofers Roman ließen sich vernachlässigen, beträfen sie nicht den im Gesamtkontext wichtigen Aspekt in der Charakterzeichnung des Grafen, der zum endgültigen Bruch mit seinem ältesten Sohn führt.

Graf Egge bleibt souverän als Forbeck (Michael Heltau) ihn fürs Modellstehen bezahlt
Doch von dessen sturer, ichbezogener Haltung blieb nichts übrig. Stattdessen gab Friedrich Domin den Grafen im Stil eines strengen, aber charmanten Übervaters. Im allgemeinen Umgang jovial, in der Sache genau, nur manchmal etwas über die Strenge schlagend. Wenn ihn wieder die Jagdleidenschaft packt und er spontan einen Bock erschießt, den er eigentlich seinem Sohn Willy hatte überlassen wollen, dann wirkt das verzeihlich. Auch im Roman ist Graf Egge keine einseitig negative Figur, bedingt auch durch die Normalität einer solchen Autoritätsperson Ende des 19.Jahrhunderts, aber seine Uneinsichtigkeit und Fixierung standen für eine in der Vergangenheit verbliebenen Haltung, die ausschlaggebend für den entstehenden Generationskonflikt wurde. Der Graf Egge in der 54er Filmfassung ist dagegen im besten Sinn ein Konservativer, passend zur aufstrebenden BRD der Nachkriegszeit. Seinem Streit mit Sohn Tassilo, dem Heinz Baumann nicht das selbstbewusste Profil seines Vorgängers verleihen konnte, fehlt die Tiefe des Disputs zwischen Tradition und Moderne – sie ist nur verständlicher Ausdruck persönlicher Enttäuschung des Grafen.

Auf die Schauwerte der berühmten Szene, in der Egge über eine mehr als 60 Meter lange Leiter zum Adlernest empor klettert, wollten Ostermayr und Regisseur Weiss trotzdem nicht verzichten, obwohl die Intention, sich auf diese Weise in Lebensgefahr zu bringen, in der 54er Fassung noch weniger nachvollziehbar wurde als in der Erstverfilmung. Der Adlerkäfig am Schloss fehlte ebenso wie die Sucht des Grafen, Jungadler dort gefangen zu halten. Die Wut, mit der er die eingesperrten Tiere nach seiner Erblindung erschießt, fand folgerichtig keine Erwähnung. Offensichtlich sollte dem Publikum die von Ganghofer zwiespältig entworfene Führungsfigur nicht zugemutet werden. Bezeichnend für eine zunehmende Nivellierung dramatischer Aspekte im Heimatfilm Mitte der 50er Jahre. Egges Erblindung wird so unmittelbar mit der allgemeinen Versöhnung des Vaters mit seinen Kindern kontrastiert, dass sich die Tragik dieser Situation kaum entfalten kann. Im Gegensatz zum Graf Egge der 34er Version, der am Ende fast demütig wirkt, blieb der Egge der 54er Fassung trotz seiner Behinderung jederzeit Herr der Situation. Dass Ostermayr seinen abschließenden Tod erneut wegließ, ist da nur noch eine Randnotiz.


3. Das Frauenbild

Erste Begegnung in der Wadhütte - Geislein (Marianne Koch) und Forbeck
Marianne Koch als Nachfolgerin von Hansi Knoteck in der Rolle der Kitty, genannt „Geislein“, zu besetzen, war eine gute Wahl. Sie hatte schon im Jahr zuvor als Gittli in „Der Klosterjäger“ (1953) ihre Eignung für die von Ludwig Ganghofer bevorzugten zarten und großäugigen „ jungen Dinger“ bewiesen, die sich deutlich von den Bauernmädchen mit den „armdicken Zöpfen“ unterschieden. Dieser Typus eines „entzückenden Geschöpfs“ (O-Ton Michael Heltau in der Rolle des Malers Forbeck) galt als besonders schützenswert und erweichte auch das Herz des im Roman frauenverachtenden Grafen Egge. An diesem Idealtypus männlicher Fantasie hatte sich im Gegensatz zu den Männercharakteren seit Ganghofers Zeiten wenig geändert. Tatsächlich wirkte die damals 22jährige Marianne Koch in ihrer Rolle noch mädchenhafter als Hansi Knoteck, der das Leben in der harten Bergwelt eher abzunehmen war.

Wiedersehen in Italien
Zu verdanken ist dieser Eindruck auch dem zeitlichen Hintergrund. Spielte die Erstverfilmung Ende des 19.Jahrhunderts, standen Kitty hier die Errungenschaften der 50er Jahre zu Verfügung, die das Leben im Schloss zum luxuriösen Vergnügen werden ließen. Kaum vorstellbar, dass sich die gräfliche Familie im Winter in wärmere Gefilde begeben musste, wie es Ganghofer noch in seinem Roman beschrieb. In bunten Sommerkleidern und hochhackigen Pumps wandeln die Frauen durch die Gärten und Flure des Schlosses, auch Lil Dagover als Anstandsdame Tante Gundi ist hier von deutlich gefälligerem Zuschnitt als ihre Vorgängerin in der 34er Version. Diese zeitgemäße Optik kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich an den Geschlechterrollen wenig geändert hatte. Das neckische Kennenlernen von Kitty und dem Maler in der Waldhütte, in der sie durchnässt von einem Gewitter Unterschlupf gesucht hatte, variierte die Situation im Erstling nur wenig.


Insgesamt wirkt die gesamte Handlungslinie um Kitty und ihre Liebe zum Maler Forteck leichter und komödiantischer – nicht nur im Vergleich zum Roman, sondern auch zur ersten filmischen Umsetzung. Zu verdanken ist das Michael Heltau, dessen Besetzung als Maler von einem unverkrampfteren Verhältnis der Macher zur Beziehung Komtesse / Künstler als im 1934er Film zeugt, in dem Hans Schlenck die Rolle zackig tüchtig anlegte. Heltau kam Ganghofers Romanfigur näher und wirkte auch im Zusammenspiel mit Marianne Koch entspannter. Obwohl auch er gezwungen ist, erst einmal sein Einkommen und seinen Status zu festigen, bevor er sich dem Schlossfräulein weiter nähern darf – in dieser Hinsicht gab es keinen Unterschied zwischen 1892 und 1954 – ging darüber etwas der dramatische Aspekt verloren. Anders als Hansi Knoteck wurde Marianne Koch in ihrer Rolle nicht zu ständigen Gefühlswallungen gezwungen, sondern agierte meist fröhlich unbeschwert.


4. Entwicklung des Heimatfilms

Diener Moser (Gustav Waldau) und sein Schlossherr
Allgemein gültige Fakten zur Entwicklung des Heimatfilms Mitte der 50er Jahre lassen sich an Hand des Vergleichs zweier Filme schwerlich festlegen, aber Tendenzen werden dank des jeweils von Ostermayr verantworteten Drehbuchs erkennbar. Obwohl der Autor mit der Einbeziehung des Sohns Willy dem Romantext näher kam, ging die kritische Sichtweise Ganghofers weiter verloren. „Schloss Hubertus“ wies damit schon auf den sich verändernden Stil im Heimatfilm-Genre hin, dramatische Wendungen so mit komödiantischen oder gefühlvollen Momenten zu kombinieren, dass der Unterhaltungsfaktor gewährleistet blieb. Produzent Ostermayr und Regisseur Weiss verzichteten zwar weiterhin auf Folklore, führten aber mit dem Diener Moser (Gustav Waldau) eine humoristisch menschelnde Figur ein, die unter dem Original-Graf Egge schnell das Weite gesucht hätte. Ob Wilderer-Thematik, Willys Tod oder Egges Bruch mit seinem Sohn Tassilo – die Tragik dahinter wurde nur noch behauptet, sollte den Betrachter aber nicht mehr ernsthaft konfrontieren.

Ganghofers Romane waren zuerst Unterhaltungs-Literatur, nicht ohne Grund gehörten sie jahrzehntelang zu den Bestsellern. Das hinderte den Autor aber nicht daran, realistische Hintergründe mit einzubeziehen und dramatische Wendungen glaubhaft auszuarbeiten. In der Verfilmung von 1934 lassen sich dank der noch vorhandenen Zwiespältigkeit in der Charakterisierung des Grafen Egge Reste davon spüren, im 54er Film blieb davon nichts mehr übrig. Nachdem er Kitty und ihrem Maler die Erlaubnis zur Vermählung gegeben hatte – natürlich mit der Bitte verbunden, bei ihm im schönen Schloss Hubertus zu bleiben  – versöhnt er sich noch mit seinem Sohn und Schwiegertochter Anna. Damit ist die Welt wieder für ihn in Ordnung. In Ganghofers Roman wäre das für den fanatischen Jäger unvorstellbar gewesen, beim Publikum ist die 54er Version aber bis heute die beliebteste.

"Schloss Hubertus" Deutschland 1954, Regie: Helmut Weiss, Drehbuch: Peter Ostermayr, Ludwig Ganghofer (Roman)Darsteller : Marianne Koch, Friedrich Domin, Paul Richter, Heinz Baumann, Lil Dagover, Michael Heltau, Raidar Müller-Elmau, Erika Remberg, Karl HanftLaufzeit : 86 Minuten 

weitere im Blog besprochene Filme von Helmut Weiss:

"Die Feuerzangenbowle" (1944)
"Drei Mann in einem Boot" (1961) 
"Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962)


 Thematisch weiterführender Link:

- "Vom Bergdrama zur Sexklamotte - der Heimatfilm im Zeitkontext" (Grundlagen des Heimatfilm Genres)

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