Mittwoch, 22. Juli 2015

Schlagerparade (1953) Erik Ode

Inhalt: Walter Lorenz (Walter Giller) arbeitet gegen geringe Bezahlung als Klavierspieler und Dirigent an der Musik-Akademie von Professor Hochstätter (Alexander Engel), die ständig in Geldnöten ist. Während der Professor die klassische Ausbildung bevorzugt, ist Walter auf der Suche nach dem ultimativen Schlager, von dem er sich den Durchbruch erhofft. Dank der Sängerin Sherry Sommer (Nadia Tiller) bekommt er einen Auftrag als Arrangeur bei einem Revuetheater und nutzt die Gelegenheit, vom Orchester eine seiner Kompositionen spielen zu lassen, wird jedoch vom Direktor als missliebiger Konkurrent rausgeworfen.

Friedl Hensch und die Cyprys
Wie bei seiner Freundin Barbara Blanc (Germaine Damar), die Nichte des Professors und eine begabte Tänzerin ohne Engagement, geht ohne Protektion nichts. Verleger und Produzenten sind nicht bereit, Newcomer zu fördern. Als sich Barbara bei dem Musikverleger Otto Bonnhoff (Walter Gross) für Walters Komposition „Sei lieb zu mir“ einsetzen will, nutzt sie einen unbeobachteten Moment, um die Noten in einen Brief-Umschlag des bekannten Komponisten Fred Pauli (Karl Schönböck) zu stecken, der gerade von der Post gebracht worden war. Im Glauben „Sei lieb zu mir“ sei von Pauli, bringt Bonnhoff das Stück groß raus und macht es zu einem Erfolg…


Von der Operette zur Starparade – der „Schlagerfilm“ wird zum eigenständigen Genre

Walter (Walter Giller) mit Bob (Harald Juhnke) und Cherry Sommer (Nadja Tiller)
Während der Heimatfilm trotz aller Ressentiments einen festen Platz in der deutschen Filmgeschichte besitzt, gilt der Schlagerfilm als beiläufige Sub-Genre-Erscheinung - gut daran zu erkennen, dass die zeitliche Einordnung und Abgrenzung schwer fällt. Der Filmwissenschaftler Jürgen Trimborn erkannte im Schlagerfilm eine Ablösung des Heimatfilms Ende der 50er Jahre (siehe „Der deutsche Heimatfilm der fünfziger Jahre. Motive, Symbole und Handlungsmuster“, Köln: Teiresias-Vlg. Leppin 1998). Daraus folgernd werden die frühen 60er Jahre häufig als Hochphase des Genres angesehen, um im gleichen Atemzug große Stars wie Vico Torriani, Catarina Valente oder Peter Alexander aufzuzählen. Deren Karrieren befanden sich aber schon ab Mitte der 50er Jahre im Dauerhoch, abgesehen davon, dass sie nicht die Ersten waren, die dank des Schlagerfilms groß raus kamen.

Germaine Damar in einer Tanzszene
Mit der Luxemburgerin Germaine Damar wurde Anfang der 50er Jahre eine begabte junge Tänzerin für den Musikfilm entdeckt, die bald schon im aufkommenden Schlagerfilm reüssierte, als dessen erster Vertreter "Schlagerparade" gelten kann. Nicht nur wegen des konkreten Filmtitels, sondern dank eines sich langsam wandelnden Musikgeschmacks. Neben den bekannten Schlagern der Vorkriegszeit, Operetten- und Volksmusik sowie diversen Orchesterklängen traten zunehmend Interpreten in die Öffentlichkeit, deren Lieder textlich und musikalisch auf die Modernisierung der Gesellschaft nach dem Krieg reagierten. Zudem wurde „Schlagerparade“ die dritte Produktion der neu gegründeten „Melodie Film“, die zu den Initiatoren des Schlagerfilms gehörte und dem Metier bis 1960 („Schlager-Raketen“) treu blieb – ein weiteres Indiz für die parallel zum Heimatfilm aufkommende Popularität des Genres.

Ein Hauch von Rock'n Roll - die Mundharmonika-Solisten
Erik Ode sammelte seine ersten Musikfilm-Erfahrungen bei der Verfilmung der Franz Lehàr-Operette „Land des Lächelns“ (1952), bei der er gemeinsam mit dem Heimatfilm-Regisseur Hans Deppe („Schwarzwaldmädel“ (1950)) Regie führte. Mehr noch steht der gebürtige Italiener, Liedtexter („Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“) und Drehbuchautor Aldo von Pinelli beispielhaft für die nahe Verwandtschaft der Genres. In den Nachkriegsjahren einer der aktivsten Drehbuchautoren im Heimatfilm („Die Alm an der Grenze“, 1951), wechselte er ab „Südliche Nächte“ (1953) zu einem führenden Vertreter des Schlagerfilms („Wenn die Conny mit dem Peter“, 1958). Die Handlung von „Südliche Nächte“, der zwei Monate vor „Schlagerparade“ in die Kinos kam und ebenfalls von der „Melodie Film“ produziert wurde, spielte im Umfeld eines Varieté-Theaters und zeigte frühe Anklänge an touristische Werbung, die im sogenannten „Tourismusfilm“ der späten 50er Jahre ihr Blüte erlebte. Pinellis Partner am Drehbuch von „Schlagerparade“ war Hans Fritz Köllner, mit verantwortlich für den NS-Propaganda-Film „Fronttheater“ (1942), der Kriegshandlungen und Gesangs-Auftritte zur Ablenkung der Soldaten kombinierte. Köllners Schwerpunkt blieb auf dem Musikfilm („Stern von Rio“ (1955)), er schrieb aber auch das Drehbuch zu dem Heimatfilm „So lange noch die Rosen blüh‘n“ (1956).


Eigenarten des Schlagerfilms

Johannes Heesters "Man müsste Klavier spielen können"
Angesichts dieser Gemengelage aus Operetten-, Varietè-, Heimat- und Tourismusfilm scheint die Abgrenzung zum „Schlagerfilm“ fast unmöglich. Tatsächlich lässt sich kaum ein einschlägiger Film finden, der keine stilistischen Anleihen bei den Genre-Verwandten nahm, späte Vertreter wie „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“ (1962) sind häufig fast bis zur Unkenntlichkeit mit dem Heimatfilm verwoben (siehe „Der Weg in die Moderne - der Heimatfilm der Jahre 1958 bis 1969“). Trotzdem zeichnen schon „Schlagerparade“ eigenständige, abgrenzende Genre-Merkmale aus, auch wenn die Musikauswahl noch die Übergangsphase vom traditionellen Musikfilm widerspiegelte. Neben dem französischen Chansonnier Maurice Chevalier, den Wiener Sängerknaben und Johannes Heesters, der den Vorkriegs-Schlager „Man müsste Klavier spielen können“ intonierte, traten aktuelle Stars wie Rudi Schuricke, das Cornell-Trio oder Friedl Hensch und die Cyprys auf – offensichtlich sollten unterschiedliche Bedürfnisse befriedigt werden.

Maurice Chevalier
Im späteren Schlagerfilm nahmen die altmodischen Nummern zwar ab, aber die Vielfalt blieb signifikant für ein Genre, dessen Musikstil im Gegensatz zum Heimatfilm oder einer Operetten-Verfilmung nicht homogen war. Der Schlagerfilm verstand sich als „Große Starparade“ -  wie sich ein unter der Regie von Paul Martin im folgenden Jahr herauskommender Genre-Vertreter folgerichtig nannte – und damit als Bühne für bekannte, aber auch junge aufkommende Sänger wie Peter Alexander, Udo Jürgens oder Catarina Valente. Neben reinen Schauspielern traten die Künstler je nach Gewichtung der Handlung in fiktiven Rollen oder unter ihrem eigenen Namen auf. Zu einer Zeit, in der nur wenige Deutsche einen eigenen Fernseher besaßen, war das oft die einzige Möglichkeit, von Schallplatten her bekannte Stars in Aktion sehen zu können – nicht ohne Grund verlief der Niedergang des Schlagerfilms parallel zum endgültigen Durchbruch des aktuelleren Fernsehens.

Fred Pauli (Karl Schönböck) vor dem RIAS-Tanzorchester
Ebenso signifikant für den Schlagerfilm ist eine Story, die nur den Rahmen für die Show-Nummern abgibt. Die oft wiederholte Kritik an den vorhersehbaren Handlungsmustern erstaunt deshalb, denn die Oberflächlichkeit ist quasi genre-immanent, Originalität eine Ausnahme. Das erste Interesse galt den Interpreten, um die eine Story gestrickt wurde, die meist in Künstlerkreisen spielte und mit einem größeren Show-Block endete. Der Vorteil lag auf der Hand – dank der Möglichkeit aufwendiger Choreografien war das Programm attraktiver und die komprimierte Auftrittsform beließ noch gewisse zeitliche Freiheiten für die Handlung.


„Schlagerparade“ 1953

Barbara (Germaine Damar) und Walter (Walter Giller) mit Max Balduweit (Bully Buhlan)
Die „Schlagerparade“ wurde in dieser Hinsicht prototypisch. Komponist Walter (Walter Giller) und Tänzerin Barbara (Barbara Blanc) bilden ein junges, erfolgloses Künstlerpaar, dass auf Grund fehlender Beziehungen keine Chance erhält. Erst dank einer Verwechslung und des fairen Star-Komponisten Fred Pauli (Karl Schönböck) löst sich am Ende bei einer großen Show-Veranstaltung alles zum Guten auf. So weit, so bekannt. Und doch ist „Schlagerparade“ ein positives Beispiel dafür, wie entspannt, witzig und ohne Moralkeule eine solche Rahmenhandlung ablaufen kann.

Verleger (Walter Gross) mit Sekretärin (Ruth Stephan) und Laufbursche (Wolfgang Jansen)
Giller und Damar geben ein lässiges Paar ab, das sich auch mal küsst, ohne gleich vom Heiraten zu sprechen. Im Gegenteil. Dafür ist Sänger Bully Buhlan zuständig in der Rolle des Warenhausverkäufers Max Balduweit. Er schwärmt für Fräulein Angelika (Renate Danz), Tochter von Walters Zimmer-Vermieterin Frau Gabler (Loni Heuser). Balduweit besorgt Walter auch einen Job im Warenhaus, kann aber nicht verhindern, dass dieser noch am selben Tag wieder rausgeschmissen wird, weil er den Flügel in der Instrumenten-Abteilung nachts zum Komponieren nutzte. Wenn Balduweit gegenüber Walter von seinem Traum eines kleinen Gebrauchtwagens und späterer Heirat spricht, dann lässt der Film keinen Zweifel daran, was er davon hält – die Sympathien gehören eindeutig dem unangepassten Walter. Auch Angelika macht ihrem Verehrer klar, dass er lockerer werden muss, will er eine Chance bei ihr haben. Getragen von den gut aufgelegten Nebendarstellern Nadja Tiller, Ruth Stephan, Walter Gross, Wolfgang Jansen und Harald Juhnke blieb die Handlung jederzeit in einem leichtfüßigen, unterhaltsamen Fluss.

Aus heutiger Sicht mag das brav wirken, war im Zeitkontext aber erstaunlich modern und offen gegenüber der häufig als „brotlose Kunst“ verschrienen Tätigkeit eines Musikers. Auch die sanfte Kritik an dem nur Altbewährtes fördernden Musikverleger wurde trotz des „Happy-Ends“ nicht abgeschwächt. Ihm war der abschließende Erfolg nicht zu verdanken, sondern Fred Pauli, dessen wiederholt geäußerten Worte, er hätte auch einmal klein angefangen, wie ein Plädoyer für den Mut zu Neuem klingt – so neu wie der damals junge Schlagerfilm. Das ändert aber nichts daran, dass es wenige Genres gibt, die schneller vom Zeitgeist überholt wurden. Die Meinung über diese semi-dokumentarischen Filme basiert fast immer auf dem persönlichen Geschmack an den musikalischen Darbietungen, kombiniert mit einer Kritik an der hohlen Story. Doch Schlagerfilme – und darin liegt der entscheidende Unterschied zu den verwandten Genres – waren Filme für den Moment. Aus diesem heraus verdienen sie eine Beurteilung und da schneidet „Schlagerparade“ sehr gut ab.

"Schlagerparade" Deutschland 1953, Regie: Erik Ode, Drehbuch: Aldo von Pinelli, Hans Fritz Köllner, Darsteller : Germaine Damar, Walter Giller, Nadja Tiller, Karl Schönböck, Walter Gross, Ruth Stephan, Loni Heuser, Harald Juhnke, Renate Danz, Bully Buhlan, Wolfgang Jansen, Laufzeit : 93 Minuten

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