Montag, 15. Dezember 2014

Sünde mit Rabatt (1968) Rudolf Lubowski

Inhalt: Wie jeden Abend bereiten sich die Angestellten des in einer Großstadt gelegenen Nacht-Clubs auf ihre Arbeit vor. Während einige Damen in den Hinterzimmern ihre Freier empfangen, beginnt im Veranstaltungsraum das Show-Programm, bestehend aus Gesangs- und Stripteasenummern, jederzeit streng kontrolliert von ihrer Chefin (Margarethe Reinhardt), die sich gerne zu ihren gut betuchten Gästen an den Tisch setzt.

Auch Martina (Eva Astor) gehört zu dem weiblichen Ensemble, hat aber gerade Ärger mit ihrem Zuhälter (Karl Arnold), der sie mit dem gemeinsamen Kind im Stich gelassen hat. Er will keine feste Beziehung, sondern kümmert sich lieber um seine anderen Mädchen. Als Martina am nächsten Tag auf einem Waldstück, weit vor der Stadt, ermordet aufgefunden wird, gerät er bei dem ermittelnden Kommissar (Claus Holm) in Verdacht...


Vom "blauen Meer" auf den Strich - ein 60er Jahre Schicksal

Schon Anfang der 60er beschwor Margarethe Reinhardt die Gefahren für die Moral...
Die soziokulturellen Veränderungen in der Nachkriegs-BRD, besonders hinsichtlich der damit einhergehenden sexuellen Liberalisierung, blieben im 50er Jahre Kino noch ein Randaspekt, verbunden mit moralisierenden Warnungen vor den Gefahren für die Jugend. Der populäre Unterhaltungsfilm - vorzugsweise der Heimatfilm und sein naher Verwandter, der Musikfilm - versorgte sein Publikum dagegen konsequent mit einem idealisierten, konservativ geprägten Familienbild, das zunehmend die Realitäten negierte und Anfang der 60er Jahre Gefahr lief, hoffnungslos altmodisch zu wirken - Gift für den Erfolg an der Kinokasse. Entsprechend entstanden vermehrt Filme, die zumindest phasenweise gewagtere Konstellationen zwischen den Geschlechtern zuließen, auch wenn sie letztlich der propagierten Moral treu blieben. Ein Versuch, modern, aber nicht zu anstößig zu wirken.

...junger Frauen, gespielt von der Sängerin Eva Astor in ihrer ersten Rolle,...
Diese Gratwanderung ist sehr schön an dem Heimat-/Musikfilm "Auf Wiedersehen am blauen Meer" (1962) abzulesen, der noch ganz traditionell mit Förster und hübscher Bauerntochter vor einem beeindruckenden Bergpanorama beginnt. Doch die Story nach einer Idee von Margarethe Reinhardt entwickelt sich schnell in eine andere Richtung, beschreibt den schicken Jäger (Toni Sailer) als Frauenhelden, der einer attraktiven Dame (Hannelore Cremer) nach einer gemeinsamen Nacht nach Italien folgt, wo er erkennen muss, dass er dort nur als billiger Gigolo angesehen wird, der sich aushalten lässt. Auch Christa (Eva Astor) aus seinem Bergdorf, mit der er im Jahr zuvor kurz zusammen war, kommt nach Italien, weil sie sich eine Karriere als Sängerin erhofft, stattdessen aber an einen fiesen Yachtbesitzer gerät, der sie mit KO-Tropfen gefügig machen will. Klar, dass der Held noch rechtzeitig eingreift und die Maid wieder heil zurück zur Alm bringt, aber die Handlung fand größtenteils außerhalb der heimatlichen Berge statt und bediente das Publikum stattdessen mit anrüchigem Italien-Flair.

...die als jungfräuliche Christa noch rechtzeitig gerettet wird.
Die Botschaft des Films war eindeutig. Das Fremde - unbekannt und verführerisch - bedrohte die Moral, aber diese Sichtweise ließ sich angesichts der fortschreitenden sexuellen Liberalisierung in Deutschland nicht mehr halten. Zudem verlangte das Publikum nach Einsichten in die Etablissements der Halbwelt. Entsprechend ist der 1968 entstandene Film „Sünde mit Rabatt“ in seiner Mischung aus moralischem Zeigefinger und voyeuristischem Spektakel nicht nur beispielhaft für diese Entwicklung, sondern seine Gene lassen sich bis tief in die heile Welt des 50er Jahre Heimatfilms zurückverfolgen. Mit Claus Holm als ermittelndem Kommissar („Wenn die Alpenrosen blüh‘n“ (1955)) und Adrian Hoven („Heimatland“ (1955)) gehörten zwei wichtige Protagonisten des Heimatfilms zum Ensemble, aber mehr noch steht die Karriere der österreichischen Schlagersängerin Eva Astor prototypisch für die sich wandelnden Frauenrollen.

Als Prostituierte wird sie Ende der 60er dagegen ihrem Schicksal überlassen.
In "Auf Wiedersehen am blauen Meer" gab sie noch das anständige Mädchen, das rechtzeitig aus den Händen eines schmierigen Lüstlings befreit wird. In „St. Pauli Herbertstraße“ (1965) spielte sie zwar erneut eine brave Landwirtstochter, doch bevor der Held die Szene betrat, wurde sie vergewaltigt und geriet auf der Reeperbahn in die Hände von Zuhältern. In „Sünde mit Rabatt“, ihrem dritten Film, verkörperte Eva Astor die erfahrene Prostituierte Martina, die jeden Abend ihrer Arbeit in einem Nacht-Club nachgeht, der von einer wohlhabenden Bürgerschicht frequentiert wird. Geografisch liegt der Handlungsort Karlsruhe zwar nah an idyllischen Schwarzwaldhöhen, aber moralisch trennen ihn Welten von den noch Anfang der 60er Jahre propagierten Heimatfilm-Idealen. Diese Entwicklung geht konkret auf Margarethe Rheinhardt zurück, deren Ideen die Basis aller drei Filme bildeten und die in „Sünde mit Rabatt“ selbst eine kleine Rolle als Chefin spielte.

Nicht mehr das "blaue Meer", sondern die Lichter der Großstadt unterlegten...
Parallelen zu Eva Astor lassen sich auch in Hannelore Cremers Karriere als Schauspielerin feststellen. Erstmals stand sie in dem Heimatfilm „Der Orgelbauer von St.Marien“ (1961) als berechnende Städterin vor der Kamera – ein Rollentypus, den sie in „Auf Wiedersehen am blauen Meer“ fortführte, in dem sie als selbstbewusste Inhaberin verschiedener Nachtlokale in Italien auftrat, die sich Männern nicht unterordnet. Nach einigen TV-Rollen in den 60er Jahren (unter anderen „Match“ (Hilfe, ich bin noch Jungfrau, 1969), Regie Wolfgang Becker) traf sie 1970 ebenfalls auf Regisseur Rudolf Lubowski, dessen „Wer weint denn schon im Freudenhaus?“ thematisch an „Sünde mit Rabatt“ anknüpfte.

...Rheinhardts dritten Film mit Paula Braend als "Puffmutter".
Zuvor hatte der Kinderbuchautor und Musiker Lubowski nur bei dem Heimatfilm-Komödien-Sequel „Zwei Bayern in Bonn“ (1962) Regie geführt, aber seine Anfänge gehen auf die Bearbeitung des österreichischen Nachkriegsfilms „Asphalt“ (1951) über das Schicksal "Einer Jugend, die frühreif und ohne Illusionen, ohne Aufsicht und ohne Führung aufwächst. Die durch schlechte Beispiele und Leichtsinn auf die falsche Bahn gerät" (Off-Text des Trailers) zurück, dass er unter dem Titel „Die Minderjährigen“ 1959 stark umgeschnitten und mit zusätzlich gedrehten Szenen in die deutschen Kinos brachte. Ein Thema, dass ihn wiederholt antrieb. 1974 erschien sein Hörspiel "Angelika und der Fremde", mit dem er vor dem „guten Onkel“ mit Sätzen wie "Schön weh getan hat dir's, kleine süße Sau“ warnen wollte, wodurch er stark in die Kritik geriet, sich missverstanden fühlte und sich lieber mit dem "Abenteuer Jesu in Hörspielform" befassen wollte, um seine tatsächlichen Beweggründe deutlich werden zu lassen (Quelle: Der Spiegel 31/1974). Weder von Lubowski, noch von der Initiatorin Margarethe Reinhardt sind jüngere Arbeiten bekannt, aber erst ihre Geschichte ermöglicht eine Annäherung an den mit religiös-moralischem Aufklärungswillen gedrehten Sexploitation-Film „Sünde mit Rabatt“.


Ein später Heimatfilm ?

Schon der Filmtitel, der die alttestamentarische „Sünde“ mit einem schnöden Preisnachlass kombinierte, lässt an der Intention eines Films keinen Zweifel, der über die dokumentarisch angehauchten Bordell-Szenen, regelmäßig eingestreute Nacktdarstellungen und die Alltagsprobleme der Prostituierten eine Art Strafe Gottes legte, die in Form eines Serienmörders die jungen Frauen heimsuchte. Die mehr nebenher laufende Kriminalhandlung erinnert in ihrem Versuch, ständig neue Verdächtige zu kreieren, um am Ende eine möglichst unwahrscheinliche Lösung zu präsentieren, an die Edgar-Wallace-Filme, verfolgte damit aber einen anderen Zweck – die Betonung der allgegenwärtigen Gefahr, die Derjenigen droht, die ihren Körper verkauft.

Trotzdem blieb der warnende Effekt schwach, denn Lubowski und Reinhardt befriedigten mit frivolen Bühnenauftritten, Gesangseinlagen und tiefen Einblicken ins Liebesdienstgewerbe vor allem die voyeuristische Erwartungshaltung eines Publikums, das sich stellvertretend auch im Film wiederfand. Wahrscheinlich ernst gemeint, wirken die Bilder der bürgerlichen Besucherschar im Zuschauerraum des Nachtclubs - betuchte Ehepaare, Geschäftsmänner, Junggesellen-Gruppen – aus heutiger Sicht fast satirisch in der Demaskierung eines Publikums, dass sich nach außen hin über moralische Abgründe mokierte, heimlich aber gerne dabei zusah.

Ähnlich hatten auch die klassischen Heimatfilme zuerst große Emotionen und dramatische Konflikte vor den Zuschauern aufgetürmt, um am Ende wieder die gewohnte Ordnung herzustellen. In „Auf Wiedersehn am blauen Meer“ war das noch gelungen, „St.Pauli Herbertstraße“ vermittelte zumindest noch die Illusion, dass Wunden heilen könnten. Doch die 60er Jahre hatten tiefe Spuren hinterlassen, verschneite Berggipfel waren karg eingerichteten Bordellzimmern gewichen, aus denen es für die Protagonistinnen kein Entkommen mehr zu geben schien. Margarethe Reinhardt hatte in jedem ihrer Filme die größere Keule geschwungen, zuletzt unterstützt von Lubowski, der ihre Idee zu einem Drehbuch verfasste, aber „Sünde mit Rabatt“ gelang nicht mehr als Appell für eine solide Lebensführung, sondern wurde unbewusst zum melancholisch stimmenden, die inneren Widersprüche entlarvenden Abbild einer Gesellschaft im Wandel.

"Sünde mit Rabatt" Deutschland 1968, Regie: Rudolf Lubowski, Drehbuch: Rudolf Lubowski, Margarethe Reinhardt (Idee), Darsteller : Eva Astor, Karl Arnold, Paula Brandt, Margarethe Reinhardt, Claus Holm, Adrian Hoven, Mona BaptisteLaufzeit : 88 Minuten

Lief am zweiten Tag des 1. Auswärtigen Sondergipfel des Hofbauer Kommando in Frankfurt/Main vom 07. bis 09.11.2014

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen